Designierter FDP-Chef Rösler:Wirtschaftsminister, hurra!

Lesezeit: 2 min

Ursächlich ist der Wirtschaftsminister Anwalt der Steuerzahler - und das liberale Gewissen der Regierung. Der Job erfordert einen Marktwirtschaftler mit großer Autorität, einen klugen Denker, einen großen Redner und eine Respektperson. Kann und ist Rösler das?

Marc Beise

Im zweiten Anlauf hat es Philipp Rösler geschafft: Der künftige starke Mann der FDP soll nicht nur Parteivorsitzender werden, sondern auch Wirtschaftsminister im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Dass ihm das vor einigen Wochen noch nicht gelingen wollte, weil Amtsinhaber Rainer Brüderle auf stur geschaltet hatte, wurde Rösler als Schwäche ausgelegt. Entsprechend ist nun alles gut, Rösler und die FDP können aufatmen. Der neue Parteichef kann die ungeliebte Gesundheit abgeben und übernimmt dafür die angeblich pflegeleichte Wirtschaft. Diese Bewertung jedoch hat das traditionsreiche Amt, in dem einst Ludwig Erhard Standards setzte, so wenig verdient wie Rösler die Vorschusslorbeeren.

Bei der Neuausrichtung der FDP geht es bisher nur um Posten. Das Wirtschaftsministerium aber ist gewiss keine Wohlfühloase für ehrgeizige Parteilinge. Es ist eines der schwersten politischen Projekte - wenn man es denn ernst meint mit ihm. Wenn aber nicht, dann sollte man so ehrlich sein, den Posten gleich ganz von der Kabinettsliste zu streichen.

Ohnehin bestimmt Wirtschaft heute Gesellschaft und Politik. Von 14 Bundesministerien haben fast alle mit Wirtschaft zu tun, einige maßgeblich. Zu nennen sind hier vor allem das Finanzministerium, das Arbeitsministerium, das Landwirtschafts- und Verbraucherministerium sowie das Umweltministerium - vier große, machtvolle Häuser. Bezeichnenderweise werden sie sämtlich von der Union geführt. Die FDP dagegen, die sich doch zugute hält, am meisten von Wirtschaft zu verstehen, blieb in den Koalitionsverhandlungen 2009 lieber in Deckung. Stattdessen sicherte sich der angebliche Wirtschaftsexperte Guido Westerwelle das vermeintlich an Kontroversen arme Außenamt, und Dirk Niebel darf als Entwicklungshilfeminister um die Welt reisen, obwohl er dieses Amt doch eigentlich hatte abschaffen wollen.

Damals wurde Jungstar Rösler vom Partei-Establishment ins Gesundheitsministerium abgeschoben. Das war personaltaktischen Erwägungen geschuldet, wurde aber inhaltlich begründet. Die FDP werde zeigen, dass sie ein Amt beherrsche, dessen Wohlfahrtsorientierung sie immer beklagt hatte. Immer nur teurer und bürokratischer, das könne man besser, hieß es. Heute gilt (wieder), in diesem Amt könne ein Liberaler nicht reüssieren, weshalb Rösler ins Wirtschaftsministerium wechseln müsse. Diese Reihenfolge ist falsch. Dass der Gesundheitsminister Rösler kaum etwas bewegt hat, dafür die Beiträge in Ulla-Schmidt-Manier angehoben hat, ist keine Zwangsläufigkeit. Rösler war dem Amt ganz einfach (noch) nicht gewachsen - ein schwerer Makel für das neue Amt.

Der Wirtschaftsminister ist dazu da, marktwirtschaftliche Prinzipien im Eifer des Tagesgeschäfts in Erinnerung zu rufen. Im Zweifel für die Freiheit, nicht für die Gleichheit, war mal das Motto der FDP, weshalb Liberale geborene Anwärter auf den Posten waren. Der Wirtschaftsminister ist das ordnungspolitische Gewissen der Regierung, ein notwendiges Korrektiv. Sein Inhaber muss sein Veto einlegen, wo die Kollegen Fachminister zu viel planen, organisieren, bürokratisieren, verteilen. Der Wirtschaftsminister ist der Anwalt der Steuerzahler.

Das kann überzeugend nur vorbringen, wer ein in der Wolle gefärbter Marktwirtschaftler mit großer Autorität ist, ein kluger Denker, ein großer Redner und eine Respektperson.

Es mag sein, dass Rösler dazu das Potenzial hat; immerhin war er schon Wirtschaftsminister in Niedersachsen. Es handelt sich dabei allerdings um ein vergleichsweise harmloses Amt. Ein Landeswirtschaftsminister ist vor allem Standortminister, der Betriebe besucht, am Leben hält, neue anlockt. Ein Bundeswirtschaftsminister ist für die großen Linien zuständig. Seine Waffe sind nicht Fördertöpfe, sondern gute Argumente. Ein Riesenjob.

© SZ vom 11.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: