Opel-Arbeiter in Bochum bangen um ihre Jobs:"In zehn Minuten brennt die Ruhr"

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Dass sich Herbert Grönemeyer mit ihnen solidarisch erklärt, hilft auch nicht: Die Opel-Arbeiter in Bochum sorgen sich um ihre Jobs. Sie wollen von Topmanager Stracke ein klares Bekenntnis hören, dass es weitergeht mit dem Standort. Doch der Opel-Chef lässt sich nicht auf Zusagen ein.

Thomas Fromm und Stefan Weber

Es ist der Montag, an dem die Opelaner in Bochum Hilfe von ganz oben bekommen. Zuerst von ihr: Sie kommt als Landesmutter ins Ruhrgebiet, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Sie spricht mit Arbeitern, strahlt Hoffnung aus, appelliert an die Manager - und kann am Ende doch nicht viel ausrichten. "Bochum verfügt über hochqualifizierte Mitarbeiter und ein hervorragendes Netzwerk", ruft sie den Arbeitern zu. Und dass gerade in der Region viele Opel-Autos made in Bochum verkauft würden. "Nordrhein-Westfalen ist eine kaufkräftige Region und ein großer Absatzmarkt für Opel", sagt sie.

Am Opel-Werk in Bochum: Die Arbeiter bangen um ihre Jobs. (Foto: dpa)

Dann verliest der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel eine Botschaft von Herbert Grönemeyer. Ausgerechnet Grönemeyer! Er sang in den achtziger Jahren, dass er aus Bochum komme und sehr an der Stadt hänge. "Unmenschlich und zynisch" verhalte sich das Management, wenn es die Standorte gegeneinander ausspiele, hat Grönemeyer an Einenkel geschrieben. Als der die Zeilen bei der Betriebsversammlung seinen Leuten vorliest, grölen die Mitarbeiter. Schon Tage zuvor hatte Einenkel gesagt, Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke brauche keine Angst vor fliegenden Eiern und Tomaten haben. Man habe genügend harte Argumente - wozu brauche man da weiche Tomaten?

Der Trost der Landesmutter, die Kritik von Grönemeyer - es macht die Arbeiter am Ende nur noch wütender. Sie wollen von Topmanager Stracke ein klares Bekenntnis hören, dass es weitergeht mit der Bochumer Fabrik. Auch nach 2014. Bis dahin schließt ein Standortsicherungsvertrag Kündigungen und Werksschließungen aus. Doch der Opel-Chef lässt sich nicht auf Zusagen ein. Was mit dem Werk und seinen mehr als 3000 Arbeitern geschehen wird, verrät Stracke nicht.

Die Entscheidung über die Zukunft der europäischen Werke werde der Aufsichtsrat am 28. Juni treffen. Jedes Werk habe eine faire Chance, sagt der Manager. Und dann listet er wieder sein Zehn-Punkte-Programm auf, das er schon in der vergangenen Woche bei seinem Besuch in Rüsselsheim präsentiert hatte. Was alles besser werde bei Opel, und dass man mit seinen Autos wieder Geld in Europa verdienen müsse. Bei den Arbeitern bleibt nur das hängen: gut fünf Wochen Ungewissheit noch.

Der Chef will eines klarstellen. Er ist unschuldig

Von Anfang war klar: Strackes Visite in Bochum ist ein Pflichtbesuch, mehr nicht. Vor einer Woche war Stracke in Rüsselsheim; in jenem Opel-Werk, das 2015 die Produktion des Astra an die Kollegen im britischen Ellesmere Port und im polnischen Gleiwitz verliert. Jetzt ist er hier in Bochum. Jenem Werk, von dem es heißt, dass es demnächst die Produktion des Familien-Vans Zafira an Rüsselsheim verlieren könnte. Bochum wäre demnach das notwendige Opfer für Rüsselsheim. Es ist ein Gerücht, das sich seit Langem hartnäckig hält. Opel hat mindestens ein Werk zu viel; und Bochum gilt seit Langem schon als Schließungskandidat. Vielleicht.

Der Chef will daher eines gleich klarstellen. Er ist unschuldig. "Zu keinem Zeitpunkt habe ich dem Stammwerk in Rüsselsheim die Produktion des Zafira angeboten. Das werde ich auch nicht tun", betont er. Nun fragen sich die Arbeiter, ob es ein anderer war als Stracke, der es getan hat. Oder ob es gar keinen Plan gibt, das Werk Bochum nach 2014 auslaufen zu lassen. Für das Werk Bochum spreche, dass es "besser ausgelastet sei als andere Werke", sagt Stracke. Es sind Momente vager Hoffnung. Und doch weiß jeder hier: Planen lässt sich das Leben erst wieder ab Ende Juni. "Wir wollen, dass das Totenglöckchen begraben wird", sagt Hannelore Kraft. Es fallen einige martialische Worte an diesem Tag. Man zahle "keinen Cent für seine Beerdigung", sagt Einenkel. Ein Mitarbeiter droht, dass "in zehn Minuten die Ruhr" brenne, falls Bochum schließe.

Das Tragische: Immer dann, wenn bei Opel über Werksschließungen und Stellenabbau gestritten wird, geht das Image und damit der Absatz in den Keller. Auch diesmal. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres sei der Opel-Marktanteil in Deutschland auf einen historischen Tiefpunkt von sieben Prozent gesunken, berichtet das Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen. Ein einfacher Mechanismus, so die Studie: Opel und die US-Mutter GM gälten als hart und unbarmherzig - dies schade auch den Autos.

© SZ vom 22.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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