Olympus gesteht schwere Bilanztäuschung:Ja, wir haben betrogen

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Verschleiern und vertuschen. Der japanische Kamerakonzern Olympus gesteht, seit 20 Jahren bei der Bilanz getrickst zu haben - es könnte dabei um fast 1,5 Milliarden Dollar gehen. Den Verantwortlichen droht eine zehnjährige Haftstrafe und dem Konzern selbst der Ausschluss von der Börse.

Erst flog der Chef, dann sein Aufseher und jetzt kommt das große Geständnis: Der japanische Kamerahersteller Olympus räumt ein, über Jahrzehnte Verluste aus Wertpapier-Geschäften verheimlicht und falsch verbucht zu haben. Dabei könnte es um fast 1,5 Milliarden Dollar gehen.

Shuichi Takayama, Präsident der Olympus Corp., verbeugte sich entschuldigend bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Tokyo. Olympus hatte gerade zugegeben, massive Verluste verschleiert zu haben. Vorwürfe in diese Richtung hatte das Unternehmen in den vergangenen Wochen immer dementiert. (Foto: AP)

Der Fall erinnert an die Bilanz-Manipulationen beim US-Konzern Enron vor einigen Jahren, der darüber kollabiert ist. Experten stellen nun die Zukunft des Konzerns Olympus infrage. Dem 1919 gegründeten Unternehmen drohen Klagen wegen Bilanzbetrugs. Analysten halten einen Ausschluss von der Börse in Tokio für denkbar. "Die Zukunft der Firma ist extrem düster", sagt der Investment-Stratege Ryosuke Okazaki von ITC Investment Partners.

Olympus setzte mit weltweit 40.000 Mitarbeitern zuletzt knapp acht Milliarden Euro um. Die Olympus-Aktien verloren fast 30 Prozent an Wert. Schon vor Tagen hatte Japans Ministerpräsident Yoshihiko Noda umfassende Aufklärung gefordert. Er fürchtet um den Ruf der heimischen Wirtschaft. "Die früheren Bilanzen waren falsch", erklärt nun der erst seit wenigen Wochen amtierende Olympus-Präsident Shuichi Takayama. Die einst Verantwortlichen hätten ihn erst am Montag eingeweiht.

Eine interne Prüfungskommission habe aufgedeckt, so Takayama, dass Verluste aus Wertpapiergeschäften als Kosten für Beratungen und Firmenzukäufe maskiert worden seien. Konkret gehe es um ein Beratungshonorar über 687 Millionen Dollar beim Kauf des britischen Rivalen Gyrus im Jahr 2008 und die Akquisition dreier japanischer Firmen für 773 Millionen Dollar. Verantwortlich seien der zurückgetretene Olympus-Präsident Tsuyoshi Kikukawa und Vize-Präsident Hisashi Mori.

"Das ist eine sehr ernste Sache für Olympus", sagt Investmentexperte Okazaki. "Der Konzern hat zugegeben, über falsche Buchungen seine Verluste über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg verschleiert zu haben." Den Managern drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Neuer Firmenchef nach zwei Wochen entlassen

Ein Sprecher der Börse Tokio erklärt, man benötige weitere Informationen, um zu entscheiden, ob die Aktien unter Beobachtung gestellt würden. Ein solcher Schritt würde der Streichung der Olympus-Aktie vom Kurszettel vorausgehen. Womöglich könnten auch Bilanzprüfer belangt werden. Olympus hatte sich 2009 von seinem weltweit agierenden Prüfer KPMG getrennt. Einem vertraulichen Dokument zufolge war der Grund ein Streit darüber, wie die fraglichen Zukäufe verbucht werden können.

An die Öffentlichkeit kam der Skandal erst vor kurzem, und zunächst sah es nur nach einem Management-Streit aus: Olympus schasste Mitte Oktober seinen erst zwei Wochen amtierenden Firmenchef Michael Woodford. Er verstehe weder den Management-Stil des Unternehmens noch die japanische Kultur. Inzwischen ist bekannt, dass der seit 1980 bei Olympus tätige Woodford zuvor die britische Börsenaufsicht kontaktiert und um Prüfung des Beraterhonorars aus dem Gyrus-Kauf 2008 gebeten hatte. Die damals gezahlten 687 Millionen Dollar stellen fast ein Drittel das Kaufpreises dar. Üblich: maximal zwei Prozent. Woodward verlangt nun eine gerichtliche Bilanzprüfung.

Olympus stellt neben Kameras und Diktiergeräten auch flexible Endoskope für Medizin und Industrie her. Die Firma weiß zudem seit 2008 von Unregelmäßigkeiten in der Hamburger Europazentrale. Die Staatsanwaltschaft teilte jüngst mit, im März Anklage gegen drei Ex-Manager von Olympus wegen Untreue erhoben zu haben. Sie sollen Rechnungen unterschrieben haben, denen keine Gegenleistungen gegenüber gestanden hätten. Der entstandene Schaden: 640.000 Euro.

Bleibt die Frage, warum sich Olympus wiederholt auf die Übernahme wertloser, branchenfremder Firmen eingelassen hat. Und diese offenbar völlig überbezahlt hat. Nach wie vor kursieren Gerüchte, die Yakuza sei involviert, das organisierte Verbrechen Japans.

© SZ vom 09.11.2011/aper - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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