Notverkauf der Wegelin-Bank:Schweizer Scherbenhaufen

Lesezeit: 2 min

Helle Aufregung in der Schweiz: Die alteingesessene Privatbank Wegelin stürzt über den Steuerstreit mit Amerika - Bankchef Konrad Hummler steht vor den Trümmern seines Lebenswerks. Nun packt auch andere Geldhäuser die Angst vor der Strafverfolgung.

Wolfgang Koydl

Der Notverkauf der St. Galler Privatbank Wegelin hat den Schweizer Finanzplatz erschüttert. Das alteingesessene Institut stürzte über den Streit der Schweiz mit den USA über unversteuerte Einlagen von US-Bürgern. Die Schweizer haben jetzt Angst, dass sich die Amerikaner eine Bank nach der anderen vorknöpfen und in den Ruin treiben könnten. Elf Schweizer Geldinstitute sind bereits im Visier der Washingtoner Justiz- und Steuerbehörden.

Der Verkauf von Wegelin gilt als Verzweiflungsakt - eine Klage gegen die Bank stand wohl unmittelbar bevor. (Foto: REUTERS)

Der Verkauf von Wegelin gilt als Verzweiflungsakt. Gegen drei Manager wurde in den USA Anklage wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung erhoben, und dem Vernehmen nach stand eine Klage gegen die gesamte Bank unmittelbar bevor. Wegelin wurde zum geschätzten Preis von 300 Millionen Franken an die Raiffeisen-Gruppe verkauft, die schon lange in das lukrative Geschäft mit wohlhabenden Privatkunden einsteigen wollte. Der Name Wegelin verschwindet, das neue Institut trägt den historischen Namen Notenstein-Bank. Nur das Geschäft mit den umstrittenen US-Kunden haben Bank-Chef Konrad Hummler und seine Mitgesellschafter behalten - so lange jedenfalls, bis es abgewickelt wird.

Streitfreudiger Chef

Hummler steht vor den Scherben seines Lebenswerkes. Denn er war es, der die unbedeutende Privatbank zu einem globalen Mitspieler im Finanzgewerbe machte. Dabei hat der heute 58-Jährige mit seiner Meinung nie hinter dem Berg gehalten; seine ätzend kritischen Kommentare hatten oft mehr Leser als so manche Schweizer Zeitung.

Die Amerikaner bezeichnete er mitunter als eine der "aggressivsten Nationen der Welt" mit einer "atemberaubenden Doppelmoral". Und kürzlich sagte er in einem Interview: "Wer Steuern zahlt, ist dumm." Dass dies bei der IRS, der amerikanischen Steuerbehörde, nicht besonders gut ankam, dürfte offensichtlich sein. Sie wirft Wegelin schließlich vor, 1,2 Milliarden Dollar unversteuerter Gelder von US-Bürgern vor dem Fiskus versteckt zu haben. Diese Kunden hatten eine neue Bleibe gesucht, nachdem sich die Schweizer Großbank UBS im Jahr 2008 ihrer entledigt hatte - wegen ihrer Probleme mit den Vereinigten Staaten.

Auch andere Banken befürchten nun Repressalien vonseiten der USA. Als möglicher Kandidat wird hinter vorgehaltener Hand das Institut Julius Bär gehandelt. Das könnte man sich ähnlich wie bei Wegelin vorstellen. Dort hatten - so Branchen-Insider - Washingtons Drohungen und Klagen auch unverdächtige, nicht-amerikanische Anleger in die Flucht getrieben. In kürzester Zeit hat die Bank angeblich Einlagen in Höhe von drei bis vier Milliarden Franken verloren - rund 15 Prozent ihrer Assets.

Der Druck auf die Berner Regierung wächst, sich mit den USA zu einigen. Ein Angebot liegt nach Angaben aus Verhandlungskreisen schon auf dem Tisch; es mangele aber am politischen Willen in den USA, den Streit beizulegen. Uneinigkeit herrsche vor allem über die Pauschalzahlung, mit der sich Banken von Strafverfolgungen freikaufen könnten. Die Amerikaner denken an zehn Milliarden Dollar; die Schweizer wollen aber nur einen Bruchteil davon berappen.

Vor dem Hintergrund des Wegelin-Verkaufs hat die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf nun von der Notwendigkeit gesprochen, zu einer schnellen Lösung zu kommen, um zu verhindern, dass andere Banken in dieselbe Situation wie das St. Galler Traditionshaus geraten. Vor kurzem freilich hatte sie als Termin für eine Einigung erst das Jahresende in Aussicht gestellt.

Die Schweizer Banken verlangen, dass Bern eine härtere Gangart gegenüber den USA einschlägt. Pikant ist dabei der Vorschlag, amerikanische Staatsanwälte in der Schweiz vor Gericht zu stellen. Artikel 271 des eidgenössischen Strafgesetzbuches macht das möglich. Demnach können ausländische Beamte angeklagt werden, wenn sie Schweizer Staatsbürger zur Verletzung Schweizer Rechts anstiften. Darunter fiele auch die erzwungene Herausgabe von Kundendaten an amerikanische Behörden.

© SZ vom 30.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: