Neue Lebensmittelkennzeichnung:Mehr Sterne, mehr Tierschutz

Schweinezucht

Im Stall eines Bauern im mecklenburgischen Walkendorf schauen Ferkel neugierig durch die Gitter. Ferkel dürfen nur unter Betäubung kastriert werden, wenn ihr Fleisch das neue Label erhalten soll.

(Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Den Deutschen ist es wichtig, dass ihr Fleisch aus tiergerechter Haltung kommt. Ein neues Siegel soll Verbrauchern nun mehr Transparenz beim täglichen Einkauf verschaffen. Biobauern sehen das Label allerdings kritisch - wegen zu niedriger Erfüllungskriterien.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Die Mehrheit der Verbraucher legt beim Kauf von Lebensmitteln Wert auf einen hohen Tierschutz. Das geht aus einer Infratest-Umfrage im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervor, deren Ergebnisse der Süddeutschen Zeitung in Auszügen vorliegen. Demnach ist es 89 Prozent der befragten Konsumenten "sehr wichtig" oder "wichtig", dass Lebensmittel aus besonders tiergerechter Haltung stammten. Nur elf Prozent meinten, dies sei "weniger oder gar nicht wichtig".

Nun ist es jedoch ein bekanntes Phänomen, dass Reden und Handeln nicht immer übereinstimmen. Ob das in diesem Fall auch so ist, wird sich schon sehr bald zeigen. Denn von diesem Mittwoch an soll ein neues Tierschutzlabel für mehr Transparenz beim Einkauf sorgen. Entwickelt wurde es vom Deutschen Tierschutzbund, der dabei mit Wissenschaftlern sowie Experten aus Land- und Fleischwirtschaft zusammengearbeitet hat.

Künftig werden Verbraucher beispielsweise bei Edeka, Karstadt, Lidl, Kaufland oder auch Kaiser's Tengelmann Produkte mit dem neuen Siegel finden. Zunächst wird es nur für Wurst und Fleisch von Schweinen und Hühnern vergeben. Langfristig aber sollen die Kriterien auf alle Tierarten der Landwirtschaft erweitert werden. Experten rechnen damit, dass diese Produkte 20 bis 30 Prozent teurer sind als konventionelle.

Biobauern unzufrieden mit neuem Label

Das Label unterscheidet zwei Stufen: die Einstiegsstufe mit einem Stern und die Premiumstufe mit zwei Sternen. Bei der Einstiegsstufe liegen die Anforderungen an die Tierhaltung dem Tierschutzbund zufolge "deutlich über den gesetzlichen Regelungen". So dürfen die Ferkel nur unter Betäubung kastriert werden, zudem müssen die Tiere mehr Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten haben. Bei Masthühnern wird die tägliche Gewichtszunahme begrenzt, weil gerade bei schnell wachsenden Zuchtlinien besonders häufig Tierschutzprobleme auftreten.

Die Premiumstufe verlangt Möglichkeiten für Auslauf oder Freilandhaltung. Diese zweite Stufe entspreche ungefähr den Anforderungen, die Biobetriebe an ihre Tierhaltung stellten, heißt es beim Tierschutzbund. Allerdings gingen die neuen Kriterien insofern über die Bio-Kriterien hinaus, als sie alle Stufen der Produktion abdeckten, also Zucht, Transport und Schlachtung. Neuland-Produkte würden die Anforderungen der Premiumstufe "problemlos" erfüllen.

Unabhängige Zertifizierungsorganisationen sollen kontrollieren, dass die Kriterien eingehalten werden. Zudem plant der Tierschutzbund unangemeldete Kontrollen. Das Tierschutzlabel erleichtere Verbrauchern die Auswahl, sagte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), die die Entwicklung des Labels mit gut einer Million Euro unterstützt hat. "Gleichzeitig hilft es Erzeugern, sich durch besonders hohe Tierschutzstandards einen wichtigen Markt zu erschließen."

Biobauern sehen das neue Label hingegen kritisch. "Die Verbraucher werden kaum darauf achten, ob sich nun ein oder zwei Sterne auf der Verpackung befinden", sagt Jan Plagge, Vorstand beim Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft. Dabei sei das ein Riesenunterschied, "denn der Ein-Sterne-Standard ist weit von jeder artgerechten Tierhaltung entfernt". Er werde jedem Biobetrieb abraten, das Siegel zu benutzen. Beim Tierschutzbund dagegen verteidigt man die schwächeren Kriterien in der Einstiegsstufe. Immerhin würden auch sie zu "klaren Verbesserungen für die Tiere führen" und seien von mehr Landwirten erfüllbar als die hohen Premium-Standards.

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