Nahaufnahme:Wieder aufgetaucht

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"Die nächsten Tage werden nicht einfach werden. Wir sind vorbereitet." George Osborne. (Foto: dpa)

Nach dem Brexit zog sich Schatzkanzler George Osborne zurück. Jetzt ist er wieder da und beschwichtigt: Wir sind vorbereitet. Na denn.

Von Björn Finke

George Osborne lässt sich Zeit. Schon am Freitag stürzten das Pfund und die Aktienkurse ab. Volkswirte und Ratingagenturen veröffentlichten pessimistische Kommentare zur wirtschaftlichen Zukunft Großbritanniens. Und Schatzkanzler Osborne ward nicht gesehen. Alex Salmond, früher Chef der schottischen Regionalregierung, machte im Fernsehen einen bösen Witz über den Konservativen: "Ich kann exklusiv enthüllen, wo der Schatzkanzler ist", sagte er am Sonntagabend in der BBC. "Er wurde entführt, aber niemand will Lösegeld zahlen." Am Montagmorgen zeigte sich Osborne dann doch der Öffentlichkeit. Vor Start des Börsenhandels versuchte er, mit einer Fernsehansprache Bürger und Anleger zu beruhigen.

Mit zweifelhaftem Erfolg. Zumindest konnte der Tory-Politiker nicht verhindern, dass die Aktien britischer Banken wieder rasant an Wert verloren. Osborne sagte, auch nach der Entscheidung für den Brexit sei die britische Wirtschaft "im Grundsatz stark" und "sehr wettbewerbsfähig". Er warnte allerdings, dass die Turbulenzen nicht vorbei seien: "Die nächsten Tage werden nicht einfach werden. Wir sind vorbereitet." Gut zu wissen.

Wie Premierminister David Cameron hatte er für den Verbleib des Königreichs in der EU geworben. Cameron wollte, dass der 45-Jährige ihm nachfolgt, wenn er einmal als Premier aufhört. Aber nach Camerons unrühmlichem Abgang wegen des verlorenen Referendums kann sich Osborne von diesem Traum verabschieden.

Der Schatzkanzler muss froh sein, wenn er einen wichtigen Ministerposten behält im neuen Kabinett, das Camerons Nachfolger im Herbst bildet. Herr über die Finanzen bleibt er sehr wahrscheinlich nicht. Denn der Oxford-Absolvent hat im siegreichen Brexit-Lager der Partei viele Feinde. Osborne warnte vor der Abstimmung, eine Entscheidung für den Austritt werde die Wirtschaft und die Steuereinnahmen belasten und ihn daher zu Steuererhöhungen zwingen. Das kam bei den Brexit-Freunden ganz schlecht an.

Jetzt sagte Osborne, er akzeptiere den Ausgang des Referendums und wolle daraus das Beste für Großbritannien machen. Allerdings sieht er seine Befürchtungen bestätigt: "Es ist bereits klar, dass wegen des Ergebnisses vom Donnerstag einige Firmen Investitionen oder Neueinstellungen aufschieben." Das werde sich auf die Konjunktur und den Staatshaushalt auswirken. Es werde nötig sein, darauf zu reagieren. Doch sei es vernünftig, damit zu warten, bis ein neuer Premier gefunden ist. Das bedeutet, dass Osborne diese Sparpakete wohl nicht mehr entwerfen wird.

Sein Abtauchen seit Freitagmorgen erklärte der millionenschwere Unternehmersohn damit, dass er die vergangenen 72 Stunden ständig mit Vorstandschefs von Banken, EU-Finanzministern, US-Politikern und Zentralbankern konferiert habe.

Der gebürtige Londoner wurde bereits 2001 ins Parlament gewählt; mit 30 Jahren war er damals der jüngste Abgeordnete. Er ist ein Freund Camerons, der Premier ist Taufpate von Osbornes Tochter, Osborne ist Pate von Camerons Sohn.

Im Jahr 2005 wurde der studierte Historiker Osborne finanzpolitischer Sprecher der Konservativen, die da noch in der Opposition waren. Nach Camerons Wahlsieg 2010 stieg er zum Schatzkanzler in der konservativ-liberalen Koalitionsregierung auf. Osborne hatte mit den Folgen der Finanzkrise zu kämpfen und musste das Staatsdefizit senken. Doch sein wichtigster politischer Kampf war der gegen den EU-Austritt. Den hat er nun verloren.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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