Nahaufnahme:Reparaturbedarf

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Ein Kfz-Meister sorgt sich um die Zukunft seiner Branche: Automobilhersteller preschten mit E-Autos und autonomem Fahren voran, die Werkstätten kämen nicht hinterher.

Von Valentin Dornis

Detlef-Peter Grün macht sich Sorgen. Über Elektromobilität, über das Kfz-Handwerk und die Zukunft seiner Branche. "Momentan gibt es in der Autobranche zwei Geschwindigkeiten", sagt der 50-jährige Kfz-Meister. Auf der einen Seite preschen Politik und Hersteller vor, setzen voll auf Elektromobilität und autonomes Fahren. Und auf der anderen Seite, sagt Grün, hinkt das Handwerk hinterher, kann mit dieser Entwicklung kaum mithalten - und soll die Autos hinterher trotzdem reparieren.

Der Branchenverband Deutsches Kfz-Gewerbe hat mehr als 450 Händler und Werkstätten gefragt, was in den nächsten Jahren das Geschäft am stärksten beeinflussen werde. 81 Prozent gaben an, es werde schwieriger, mit neuen technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Doch weniger als ein Fünftel der Befragten hat seinen Betrieb auf solche Veränderungen eingestellt. Wie passt das zusammen?

Detlef-Peter Grün kommt diese Situation bekannt vor. Denn manchmal tauscht er die graue Latzhose gegen sein blaues Sakko: Als Obermeister der Kfz-Innung Hagen/Ennepe-Ruhr versucht er, über die Verbandsarbeit mehr Bewegung in die Betriebe seines Bezirks zu kriegen. "Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit, vielleicht auch Ohnmacht oder ein Gefühl der Überforderung", sagt Grün. Das lähme das Handwerk, das mit immer kürzeren Entwicklungszyklen umgehen muss. "Früher galt, dass es alle zehn bis 15 Jahre einen echten technischen Fortschritt gibt", sagt er. Heute sind diese Zyklen teilweise kürzer als die dreijährige Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker.

Grün war immer früh dabei, wenn es um neue Entwicklungen ging. Sein erstes Analysegerät kaufte Grün kurz nach der Ausbildung, ein Bosch KTS 300: "Meine Kollegen haben mich damals noch für verrückt erklärt." Als 2010 eine der ersten sogenannten Hochvolt-Schulungen in Deutschland angeboten wurde, schickte Grün seinen heutigen Werkstattmeister dorthin. Diese dreistufigen Schulungen sind für den Umgang mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen vorgeschrieben. Erst mit der dritten Stufe darf der Mechatroniker ein Elektroauto umfassend bearbeiten. Die Arbeit ist gefährlich: Die Spannung im Stromkreislauf von Elektroautos ist hundertfach höher als beim Bordnetz von Autos mit Verbrennungsmotoren.

Damit fangen die Probleme vor allem für freie Werkstätten an. Bestimmte Modelle dürfen nur nach einer weiteren speziellen Schulung repariert werden. Teilweise kämen die Werkstätten mit den Nachschulungen gar nicht mehr hinterher, sagt Grün. "Es gibt Modellreihen, da ist die Software zwischendurch aktualisiert worden, und jetzt gilt die alte Schulung nicht mehr." Er musste auch seine Werkstatt umrüsten, schließlich kann er Elektrofahrzeuge nicht einfach auf die Hebebühne stellen und loslegen. Er brauchte einen eigenen Sicherheitsbereich, spezielle Werkzeuge, Schutzhandschuhe, eine Ladestation. Eine teure Investition, die genauen Vorgaben entsprechen muss.

Grün sieht auch das Positive neuer Entwicklungen, zum Beispiel des autonomen Fahrens. "Das wird einiges verändern. Zum Beispiel wird die Zahl der Unfalltoten deutlich sinken", hofft Grün. Aber wenn ein solcher Hightech-Lkw in seiner Werkstatt steht? "Da brauchen Sie eigentlich einen ausgewiesenen IT-Spezialisten", sagt er. Das momentane Ausbildungssystem bringe solche Fachkräfte aber nicht hervor. Mit Schuldzuweisungen hält er sich zurück. Die Autoindustrie sei ein großes System, das nur funktioniere, wenn alle seine Teile - also Zulieferer, Hersteller, Händler und Werkstätten - ineinander griffen. "Aber das ist momentan nicht so", sagt Grün, "und daran muss sich dringend etwas ändern."

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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