Nahaufnahme:Perlenketten

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"Wir können unserem Kunden zeitnah mitteilen, ob morgens früh um 7.50 Uhr zwei Parkplätze auf der Prinzregentenstraße verfügbar sind" Andreas Hecht (Foto: Inrix)

Andreas Hecht will wissen, wann wer mit seinem Auto wohin fährt. Aus diesen Daten lassen sich Stauprognosen und vieles mehr erstellen.

Von Thomas Fromm

Für Menschen wie Andreas Hecht ist es wichtig zu wissen, wann wer mit seinem Auto wohin fährt. Denn die Summe aller Fahrer ergibt dann ein Bild - das große Bild der Straße. Es besteht aus den Daten von 280 Millionen Autos und Fahrer-Handys. Der Zugriff auf die Daten fördert vieles zutage: Die aktuelle Position eines Autos, Verkehrsdichte, Geschwindigkeit.

All diese Daten zusammen, sagt Hecht, Europachef des Verkehrsdaten-Unternehmens Inrix, sei die "Perlenkette" des Unternehmens. Der Vergleich ist ganz gut, denn einzelne Perlen alleine machen ja noch keine Kette, und so ähnlich ist das auch bei Inrix. Wer auf Informationen zugreift wie das Unternehmen aus Seattle, das vor zehn Jahren als Ausgründung des Computerriesen Microsoft entstand, kann daraus Big-Data-Perlenketten machen - und diese zu guten Preisen verkaufen. An Menschen, die Stauprognosen brauchen oder aktuelle Informationen zu Parkplätzen.

An diesem Dienstag nun wird Hecht eine Kooperation mit Daimler zu so genannten "Off-Street-Parking-Services" bekannt geben. Es ist einer dieser Dienste, die nach Meinung der Autohersteller ihre Branche in die Zukunft des vernetzten Fahrens retten. Derzeit präsentieren die Autokonzerne ihre Kooperationen mit den neuen Digital-Spielern im Wochenrhythmus; erst vor wenigen Tagen stellte VW seine Kooperation mit dem amerikanisch-israelischen Uber-Konkurrenten Gett vor.

Daimler hat mit seiner Digitaltochter Moovel schon seit längerem eine eigene Mobilitäts-App - die Zusammenarbeit mit Inrix passt also in die ehrgeizigen Pläne. Mit Hilfe des Dienstes können Fahrer künftig freie Plätze in Parkhäusern ausfindig machen, verschiedene Orte und Preise vergleichen und sich dann per Navi zu den freien Parkplätzen bringen lassen. Es geht also um mehr als das reine Fahren - es geht um Informationen.

Nun also kommt Hecht, 46, der Mann mit der Perlenkette, ins Spiel. Schwarze Jeans, dunkles Hemd und Jackett, erster Wohnsitz: Chicago. Alle vier bis sechs Wochen kommt er nach München, in dieses kleine Büro in einem Gewerbegebiet im Münchner Westen. Weniger Silicon Valley-Startup-Chic, eher x-beliebige deutsche Vorstadt-Atmosphäre. Und er erzählt, wie man mit dem vernetzten Fahren Geld verdienen kann, auch ohne Autos zu bauen. "Wir können unserem Kunden sehr zeitnah mitteilen, ob morgens früh um 7.50 Uhr zwei Parkplätze auf der Prinzregentenstraße verfügbar sind", sagt er. Inrix sei daher eine Alternative zu Apple und Google. "Die Daten sagen viel über die Lebensgewohnheiten von Menschen aus; auf diese Weise lassen sich nach einiger Zeit Tagesabläufe zusammenstellen", sagt er. Wenn sich irgendwo ein großer Stau bildet - Hecht und seine Leute haben die Perlenkette schon vorher aufgereiht "Die Zeit der Sensorenmessungen auf Autobahnen ist vorbei", sagt der Manager. "Wir glauben nicht an Infrastrukturen, wir sind Cloud."

Natürlich interessieren sich nicht nur Autohersteller und -fahrer für die Arbeit von Inrix - auch große Ketten wie McDonalds und Starbucks greifen auf die Bewegungsdaten zurück. "Für das Geschäft von McDonalds oder Starbucks sind unsere Stauprognosen wichtig - denn wenn ich morgens um 10 Uhr ein Sonderangebot starte, dann ist es gut zu wissen, wie viele Autos an meiner Filiale und den elektronischen Werbetafeln vorbeifahren."

Natürlich weiß auch Hecht: So einfach wie in den USA läuft das hier nicht. "Die Bedenken bei personenbezogenen Daten sind in Europa und vor allem in Deutschland viel stärker als etwa in den USA", sagt er. Dass sei ihm schon während des Informatikstudiums aufgefallen. Da sei die "Liste der Leute, die Datenschutzseminare belegten", groß gewesen.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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