Nahaufnahme:Offensiv wie nie

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Mit Michael Schmidt mischt sich die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka auf Hauptversammlungen erstmals öffentlich in die Arbeit von Konzernen ein.

Von Meike Schreiber

Als Michael Schmidt Anfang der Neunzigerjahre seine ersten Aktien kaufte, brauchte er noch reichlich Geduld. Bei seiner Raiffeisenbank in Beilngries im Altmühltal gingen zumeist ein, zwei Tage ins Land, bis die Kurstabellen im Schaufenster auf den neuesten Stand gebracht wurden. Unverdrossen wählte Schmidt, damals Teenager, deshalb täglich eine Telefonnummer der Bundespost an, unter der um 13 Uhr in alphabetischer Reihenfolge die Kurse durchgesagt wurden. Und zumindest dabei musste er nicht lange warten - Schmidts erste Aktien waren BMW. "Ich war aufgeregt, als ich die gekauft habe. Aber das war ein gutes Investment", erzählt er heute. Das Startkapital hatte er in den Ferien auf dem Bau verdient.

Aktien haben ihn seither nicht mehr losgelassen. Weder privat noch beruflich: Inzwischen ist Schmidt bei der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka mitverantwortlich für die Verwaltung von mehr als 30 Milliarden Euro an Aktien. Und ein bisschen treibt ihn die Abenteuerlust dort noch immer: Unter der Leitung des inzwischen 43 -Jährigen wagt sich die Deka in diesem Frühjahr erstmals aus der Deckung und greift auf den Hauptversammlungen die Topmanager von Dax-Konzernen an, wenn man unzufrieden ist. Und Schmidts Stimme dürfte dort gehört werden, schließlich besitzen gut vier Millionen Kunden Deka-Aktienfonds, an den meisten Dax-Konzernen sind die Frankfurter mit ein bis zwei Prozent beteiligt.

Bislang kam Kritik von der Deka meist hinter verschlossenen Türen. Den Unmut öffentlich zu äußern, kann dagegen heikel sein: Die Unternehmen sind oft selbst Kunden der Fondsgesellschaften, deshalb hielten sie sich früher lieber zurück - zulasten der Aktionärsdemokratie.

"Viele Privatanleger fühlen sich vielleicht ohnmächtig und denken, was kann meine kleine Stimme schon ausrichten", sagt Schmidt nun. "Wir aber haben ja die Möglichkeit, die Macht zu bündeln und den kleinen Anlegern Gehör zu verschaffen." Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob die Rendite noch ein paar Prozent höher liegen könnte, es geht auch um gesellschaftlich relevante Themen: um die Höhe der Managergehälter beispielsweise oder die Frage, ob die Unternehmen den Klimaschutz ausreichend ernst nehmen.

Damit folgt die Deka nun dem Vorbild der Konkurrenz der genossenschaftlichen Union Investment, die sich publikumswirksam als Mahner auf Hauptversammlungen etabliert hat. Von dort wechselte Schmidt auch erst jüngst zur Deka. Zuvor war er viele Jahre in der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank tätig, wo er seine Karriere auch mit einer Banklehre begann.

Auf zehn Dax-Hauptversammlungen halten die Deka-Fondsmanager nun in diesem Jahr Reden, unter anderem bei Linde, Volkswagen oder Siemens. Schmidt selbst tritt nicht auf. Er steuert die Auftritte im Hintergrund, entscheidet, wo und warum die Deka die Stimme erhebt und wie die Fondsgesellschaft abstimmt. Bayer-Chef Werner Baumann beispielsweise erntete Kritik, weil er den US-Saatguthersteller Monsanto kaufte, ohne vorher ein Votum der Aktionäre einzuholen. Und Paul Achleitner bekam Ärger, weil er sein Mandat im Bayer-Aufsichtsrat verlängerte, obwohl die Amtszeit doch eigentlich begrenzt wurde. "Man kann doch nicht solche Regeln einführen, und dann gleich beim ersten Mal nach Gründen suchen, warum man sie nicht anwenden sollte", sagt Schmidt.

Diese Woche nun treten Vertreter der Deka beim Immobilienkonzern Vonovia und bei der Deutschen Bank auf. Schmidt will zeigen, dass Aktien auch etwas mit Verantwortung zu tun haben. "Börse wird leider von vielen Deutschen immer noch mit Casino gleichgesetzt, das ist aber nicht alles."

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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