Nahaufnahme:Netherlands first

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Weltoffenheit war einmal. Jetzt will Finanzminister Jeroen Dijsselbloem eigene Firmen schützen.

Von Pieter Couwenbergh

Die Holländer sind weltoffene Menschen. Sie haben den Ruf, begeisterte Kaufleute zu sein, immer auf der Suche nach einem guten Geschäft. Für den richtigen Preis steht fast alles zum Verkauf, selbst die Kronjuwelen der heimischen Wirtschaft. Die Unternehmen handeln, die Politik hält sich raus, so war das bisher. Entsprechend wechselten viele Unternehmen den Besitzer. Der Maschinenbauer Stork fiel in die Hände des britischen Finanzinvestors Candover. Air France übernahm die Fluggesellschaft KLM, die Babynahrung-Firma Nutricia ging an die französische Danone-Gruppe. Sogar die größte Bank des Landes, ABN Amro, die viele niederländische Unternehmen bei ihrer Expansion ins Ausland unterstützt hatte, wurde verkauft - an ein internationales Konsortium. Für viele Holländer war damit allerdings das Maß voll.

So sieht es neuerdings auch Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, 50, ein weltgewandter Politiker, der bisher nicht für seine Engstirnigkeit bekannt war. Als Chef der Euro-Finanzminister ist Dijsselbloem häufiger in Brüssel, Paris und Berlin unterwegs als im eigenen Land. Nun aber entdeckt er die Heimat. "Wir sollten nicht länger naiv sein", sagte er am Dienstag: "Die für die Niederlande wichtigen Unternehmen sollten sich besser schützen. Sie sollten auch besser geschützt werden."

Laut Dijsselbloem sind elf der 25 wichtigsten börsennotierten Unternehmen in den Niederlanden nicht ausreichend gegen ausländische Übernahmeversuche gewappnet. Im Gegenteil haben sie in den vergangenen Jahren Investitionen verschoben und vor allem Kosten gesenkt und verfügen jetzt über volle Kassen. Das macht sie zu einem attraktiven Übernahmeziel.

Anlass für Dijsselbloems Initiative war der Versuch einer feindlichen Übernahme des britisch-niederländischen Konsumgüterkonzerns Unilever mit seinem Produkten Axe, Dove, Bertolli, Hellemans und Omo durch den US-amerikanischen Konzern Kraft Heinz. Für Dijsselbloem geht es hier um einen Konflikt zwischen in den USA vorherrschendem kurzfristigen Profitdenken und langfristiger Strategie, wie sie auf dem Kontinent üblich sei; das Management von Unilever hält sich zugute, umweltfreundlich und nachhaltig zu produzieren. Das Unternehmen sei, legte Dijsselbloem nach, von strategischem Wert für den niederländische Konsumgüterindustrie und im übrigen einer der größten Kreditgeber der Universität Wageningen.

Das sind neue Töne aus dem Regierungslager. Lange Zeit hatten die Niederlande sehr bewusst vermieden, Industriepolitik zu betreiben, wie sie etwa im Nachbarland Frankreich üblich ist. Als dort beispielsweise der Pepsi-Konzern Interesse an Danone zeigte, hatte Paris sofort abgewunken: Danone sei von strategischer Bedeutung und nicht zu haben. In den Niederlanden dagegen hatte Wirtschaftsminister Henk Kamp noch 2013 kein Problem damit, dass ein mexikanisches Unternehmen den heimischen Telekomkonzern KPN kaufen wollte; dass der Verkauf am Ende scheiterte, lag nicht an der Politik. Als aber im Frühjahr 2016 ein belgisches Unternehmen die niederländische Post übernehmen wollte, lehnte die Regierung das ab. Und Wirtschaftsminister Kamp schrieb vor Monatsfrist ein Memorandum ans Parlament, dass für ihn strategisch wichtige Firmen unverkäuflich seien. Dieser Linie hat sich nun der Kollege Finanzminister angeschlossen, er verweist dabei auf internationale und amerikanische Vorbilder. Der neue US-Präsident hat "America first" zu seinem Wahlspruch gemacht.

Der Kursschwenk des Finanzministers könnte damit zusammenhängen, dass am 15. März in den Niederlanden gewählt wird. Und seine Partei PvdA steht in den Umfragen derzeit besonders schlecht da.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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