Nahaufnahme:Möglichst unverpackt

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Zwei Jungunternehmer tüfteln an der plastikfreien Warenkette. Wellblech-Eimer sind ein Mittel der Wahl, sie sollen viereckig werden, um stapelbar zu sein.

Von Jasmin Siebert

Lange Haare, Festivalbändchen an den Armen und ausgewaschene Jeans - so kommen die beiden jungen Gründer des nach eigenen Angaben ersten verpackungsfreien Biogroßhandels in Deutschland daher. Sebastian Würth, 23, und Joshua Streitz, 21, bieten Lösungen für eine Warenkette komplett ohne Wegwerfverpackungen. Denn in ihrem eigenen Unverpackt-Laden in Trier war nach ihrem Geschmack noch immer zu viel Plastik im Spiel. Außerdem entwickeln sie Shop-in-Shop-Systeme mit individuellen Unverpackt-Konzepten für bestehende Biomärkte.

Ehe er selbst gründete, hatte Würth BWL in Neunkirchen im Saarland studiert und die Praxisphasen seines dualen Studiums bei einer konventionellen Supermarktkette absolviert. Dort sah er, wie viel Müll täglich anfällt. Würth kritisierte Dinge, die als normal und unvermeidbar angesehen wurden. Wenige Monate vor Studiumsende warf ihn sein Chef raus. Und Würth - er bezeichnet sich selbst als Freidenker - nahm sich vor, zu zeigen, dass sich auch grüner wirtschaften lässt. Nach nur einem halben Jahr Planung und einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne eröffnete Würth im April 2016 seinen ersten Unverpackt-Laden in Trier.

Fünf Mitarbeiter hat der Vater eines neun Monate alten Sohnes inzwischen, keiner ist älter als Mitte 30. Knapp zwei Jahre nach Ladengründung sei der Umsatz schon fast im Plus, sagt Würth. Nudeln, die an den Laden im Fünf-Kilogramm-Plastiksack geliefert werden, brauchen weniger Plastik als kleine Packungen. "Aber uns ist das nicht genug", sagt Würth. Deshalb holte er kurz nach Ladeneröffnung Joshua Streitz als zweiten Geschäftsführer ins Team. Er war Kunde, und Würth merkte rasch: "Er ist der fehlende Part." Streitz hat Logistik in Luxemburg studiert und hatte im praktischen Teil seines Studiums mit zahlreichen Verpackungen zu tun. Er entwickelt nun Lösungen für eine Lieferkette und Lagerhaltung für den Groß- und Einzelhandel ohne Wegwerfmaterialien. Die erste Erfindung der beiden Unverpackt-Pioniere: Ein 30-Liter-Eimer aus Wellblech, verschließbar mit einer Metallschnalle. Darin lassen sich Trockenprodukte luftdicht lagern. Auch Ungeziefer hat so keine Chance. Cashewnüsse, die ranzig wurden, weil sich der große Sack, wenn er einmal geöffnet war, nicht mehr luftdicht verschließen ließ, hatten sie auf die Idee gebracht. Eine Nudelmanufaktur und eine Kaffeerösterei liefern ihre Ware bereits direkt in den Wellblecheimern ohne zusätzliche Verpackung nach Trier. Momentan tüfteln Würth und Streitz an eckigen Eimern - damit sie sich besser stapeln und eines Tages direkt per Post verschicken lassen. Auch an einer Alternative zur Stretchfolie, mit der normalerweise Paletten eingewickelt werden, arbeiten Würth und Streitz. Ein US-Anbieter hat eine wiederverwendbare Plane entwickelt, die mit Gurten festgezurrt wird. Amazon verwende diese bereits in seinen Lagern in den USA, sagt Würth. Er und Streitz übertragen das patentierte Verfahren auf die Maße der Euro-Palette. "Damit kann man nicht nur die Lebensmittelbranche vergrünen", sagt Würth.

Wenn es nach ihm ginge, sollten Erdöl und andere endliche Ressourcen für lebensnotwendige Dinge wie medizinisches Equipment aufgespart werden. Seine Vision: Die Müllberge sollen kleiner werden. Und so haben er und Streitz sich drangemacht, als ersten Schritt den Lebensmittelgroßhandel zu revolutionieren. Würth ist ausgeprägter Optimist. Er glaubt, dass jeder Einzelne etwas verändern kann, "denn dann sind es ja viele". Auch diejenigen, die noch zu bequem sind, im Alltag Plastik zu sparen, "werden irgendwann das Müllproblem erkennen, spätestens wenn sie beim Tauchurlaub mehr Plastik als Fische im Meer entdecken".

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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