Nahaufnahme:Mann für den Börsengang

Lesezeit: 2 min

Die Medizintechnik und ihren Börsengang, das schwierige Windturbinengeschäft: Michael Sen löst bei Siemens die komplizierten Fälle.

Von Thomas Fromm

Als Siemens vor ein paar Wochen den Börsengang seiner Medizintechnik-Sparte für die erste Jahreshälfte 2018 ankündigte, meldete sich auch Michael Sen zu Wort. Es gehe bei dem Börsengang des unter dem Namen Healthineers firmierenden Geschäfts auch darum, "unsere starke Position als führender globaler Medizintechnikanbieter auszubauen", sagte der zuständige Konzernvorstand. Was er nicht sagte, was aber im Konzern alle wissen: Es geht bei dem Geschäft nicht nur um die Position von Ultraschallgeräten und Computertomografen am Markt - es geht auch um die Position des 49-jährigen Sen im Konzern. Denn gelingt es dem Mann aus dem nordrhein-westfälischen Korschenbroich, mit den Healthineers den größten Börsengang in Deutschland seit der Deutschen Telekom vor 20 Jahren hinzulegen, dann dürfte er zu einem der mächtigsten Leute im Konzern aufsteigen.

40 Milliarden Euro soll die Medizintechnik-Sparte wert sein, und je nachdem, wie viele der Anteile Siemens verkauft, fließen Milliarden in die Kassen. So etwas stärkt meist jene Menschen, die den Börsengang geplant haben. In diesem Fall dürfte das Sen sein. Denn auch wenn ein anderer, Bernd Montag, Chef des Medizintechnikgeschäfts ist: Sen regiert vom Siemens-Vorstand aus das Geschäft mit und bringt das nötige Kapitalmarkt-Know-how für den Börsengang ein.

Der Betriebswirtschaftler wird auf die eher schwierigen Fälle im Haus losgelassen und kennt den Laden. Nach einer Siemens-Lehre ging er in die Strategieabteilung, arbeitete in der Kommunikationssparte, war Finanz-Ressortchef im Medizin-Geschäft. 2015 dann wechselte er zu Eon, wurde dort Finanzchef und organisierte die Abspaltung des Strom- und Gasgeschäfts von Eon unter dem Namen Uniper. Aus der Zeit hat Sen noch ein großes Kabel-Teil auf dem Büroregal stehen: eine Erinnerung aus dem Offshore-Windpark Arkona Becken-Süd in der Ostsee.

Siemens-Chef Joe Kaeser, der gerade den Konzern umbaut, schaute von München aus zu, wie der andere in Nordrhein-Westfalen abspaltete - und holte den früheren Siemens-Kollegen im Frühjahr 2017 dann wieder zurück. Beide ziehen beim Siemens-Umbau jetzt am gleichen Strang. Ohne seinen Abspalter und Zerleger Sen wäre es für Kaeser schwieriger in diesen Zeiten.

Sen ist für alles zuständig, was derzeit kompliziert ist im Konzern. Die Medizintechnik und ihren Börsengang. Das Windturbinengeschäft, das im Frühjahr mit dem spanischen Wettbewerber Gamesa zusammengelegt wurde und wo jetzt 6000 Jobs gestrichen werden sollen. Die Konzern-IT, in der ebenfalls Hunderte Jobs auf dem Spiel stehen. Man kann also sagen: Wo der Finanzmann Sen ist, da passiert gerade etwas. Da wird börsennotiert, fusioniert, da werden auch mal Jobs gestrichen.

Bevorzugt worden war für die Medizintechnik eigentlich eine Börsennotierung in New York, da, wo auch die großen Wettbewerber notiert und wo Börsengänge lukrativer sind. IG Metall und Betriebsrat aber wollten den Börsenstandort Frankfurt, sie hatten Angst, dass andernfalls die Mitbestimmungsrechte geschliffen würden. Sen und seine Leute machten mit - es hatte keinen Sinn, gegen die Arbeitnehmerbank den Börsenplatz New York durchzudrücken. Ein Pragmatiker, der seine Grenzen kennt, sie manchmal aber auch austestet. Im Herbst kam der Mann, dem man das Niederrheinische noch leicht anhört, landestypisch gekleidet ins Münchner Oktoberfest-Zelt. Gestern noch Eon, heute Siemens, gestern noch Uniper, heute Healthineers. Neulich noch Karneval in Düsseldorf, jetzt schon wieder Münchner Bierzelt. Michael Sen hat offenbar noch einiges vor.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: