Nahaufnahme:Hauptsache, schnell

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„Bis die Beschäftigungsquote unter den Zuwanderern gleich hoch ist, wie unter Einheimischen, dauert es lang – meistens 15 bis 19 Jahre.“ Alain Dehaze (Foto: Bloomberg)

Arbeit, schnell und unkompliziert: Adecco-Chef Alain Dehaze rät bei der Flüchtlingsintegration zu mehr Tempo.

Von Lea Hampel

Arbeit, schnell und unkompliziert. Das ist der beste Weg zur Integration - für die Gesellschaft, aber auch für die Flüchtlinge, findet Alain Dehaze. "Je schneller die Neuankömmlinge arbeiten, desto vorteilhafter ist es für den Staat", fasst es der Chef von Adecco zusammen. Damit bekommen deutsche Unternehmer, die derzeit bürokratische Hürden und mangelnde politische Unterstützung bei der Flüchtlingsintegration auf den Arbeitsmarkt beklagen, prominente Unterstützung.

Dehaze, 54, weiß, wovon er spricht: Die Adecco-Gruppe, deren Chef er seit 2015 ist, ist der weltweit größte Anbieter von Zeitarbeitern; das Unternehmen ist in mehr als 60 Ländern tätig. In seiner Laufbahn - zuvor war er unter anderem bei Henkel, später Frankreich-Chef von Adecco - hat Dehaze einen guten Überblick bekommen, unter welchen Bedingungen Arbeitskräfte sich schnell in Unternehmen und Gesellschaften integrieren. Der Belgier denkt viel über den Wandel des Arbeitsmarktes nach, ist unter anderem engagiert in einem europäischen Netzwerk gegen Jugendarbeitslosigkeit. Sein Unternehmen hat Pilotprojekte zur Integration von Migranten auf dem Arbeitsmarkt gestartet. Knapp zwei Jahre nach dem rapiden Anstieg der Flüchtlingszahlen im Herbst 2015 hat Adecco nun ein White Paper mit Vorschlägen zur Arbeitsmarktintegration für Arbeitgeber und Verwaltung herausgegeben.

Trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen in den Ländern gibt es nach Dehazes Erfahrungen Faktoren, die überall hilfreich für die Integration sind. Am wichtigsten ist der Faktor Zeit, findet Dehaze: "Es geht darum, wie rasch ein Flüchtling wirklich auf den Arbeitsmarkt kommt. Gelingt das sofort, ist das ein großer Vorteil", sagt er. Damit das klappe, sollte Arbeit auch parallel zum Asylverfahren möglich sein.

Von mindestens genauso großer Bedeutung ist für Dehaze die Sprache - und zwar in Verbindung mit Fachkenntnissen. Dehaze konnte bei einem Adecco-Modellversuch in Frankreich beobachten, was das bedeutet. Zunächst hatten dort 48 Geflüchtete von Anfang an sieben Stunden Französischunterricht am Tag. Das habe nicht funktioniert. Stattdessen erwies es sich als sinnvoller, die Sprache in der täglichen Arbeit und mit dem Fachvokabular zu vermitteln. Ein großes Hindernis sind nach Dehazes Erfahrungen auch formale Fragen: Oft hatten die Ankommenden keine Papiere, Unternehmen kämpften mit administrativen Schwierigkeiten. Weil sich die Vorgaben dauernd änderten, ist einer der zentralen Ratschläge Dehazes, Planungssicherheit zu schaffen.

Seien die Rahmenbedingungen für Firmen besser, so sieht Dehaze in Arbeitsmarktmigration große Chancen: Vor allem Branchen mit Fachkräftemangel seien besonders offen, selbst für Arbeitnehmer, die beispielsweise die Sprache des Landes noch nicht gut beherrschen - derzeit sind das etwa Baubranche, Logistik und Gastgewerbe. "Die Gastronomie bietet viele Möglichkeiten, da ist ein Job als Spüler nur der Anfang", sagt Dehaze, der weiß, was es bedeutet, klein anzufangen: Sein erster Job war, im Schreibwarengeschäft seiner Mutter auszuhelfen und Kunden zu bedienen, wenn sie keine Zeit hatte. Langfristig, so wird es auch im White Paper diagnostiziert, könnte eine umfassende Arbeitsmarktintegration helfen, den absehbaren Schwund an Arbeitskräften in manchen EU-Staaten auszugleichen, und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Dehaze verweist auf die USA, wo die meisten Start-ups von Immigranten gegründet würden. "Auch in Deutschland wurden 45 Prozent aller Start-ups von Menschen mit Migrationshintergrund gegründet." Bis es so weit sei, könne es aber dauern.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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