Nahaufnahme:Geschafft

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Er hat sich durchgekämpft: Omar Abdirazak Mohamed, Flüchtling aus Somalia, macht eine Ausbildung bei Siemens. Für dreieinhalb Jahre ist sein Bleiberecht gesichert.

Von Peter Eßer

Das Auswahlverfahren war hart, doch er hat sich durchgekämpft: Anfang September beginnt Omar Abdirazak Mohamed eine Ausbildung zum Industriemechaniker bei Sykatec, einer Siemens-Tochter mit Sitz in Erlangen. Er war einer von 66 Flüchtlingen, für die Siemens an vier Standorten in Deutschland halbjährige Förderklassen eingerichtet hat - und nun ist er einer der wenigen, die in der Folge auch eine Ausbildungsstelle bekamen. Von der Berufsschule, auf die Omar ging, hätten sich im vergangenen Jahr etwa 50 Flüchtlinge auf die 16 Plätze der Förderklasse in Erlangen beworben, erzählt der junge Somalier. Nur vier der 16 wird Siemens nun über die nächsten drei Jahre ausbilden. Omars Vertrag musste noch ein Vormund unterschreiben, denn der junge Flüchtling ist erst vor drei Wochen volljährig geworden. "Ich möchte weiter lernen, lernen, lernen. Vielleicht sogar studieren", sagt er.

Sein Ehrgeiz hat ihn weit gebracht in den vergangenen vier Jahren. Mit 14 und alleine verließ Omar seine Heimatstadt Qoryooley im Süden Somalias. Die Region ist Keimzelle der islamistischen Terrormiliz al-Shabaab. "Sie haben meinen Onkel getötet und mein Vater wurde von einer Bombe verletzt", erzählt Omar. Er ist das älteste von neun Kindern einer Bauernfamilie. Zu Hause pflanzen sie Gemüse an, züchten Hühner, Kamele und Ziegen. Er floh, um der Zwangsrekrutierung durch die Islamisten zu entgehen. Zunächst mit dem Flugzeug in die Türkei, dann zu Fuß über die Grenze nach Griechenland und mit dem Boot weiter nach Italien. Nach zwei Jahren auf der Flucht kam er in Nürnberg an. Als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling wies das Jugendamt ihm einen Vormund zu, kümmerte sich um Gastfamilien.

Aus Somalia hat Omar einen Schulabschluss, der in Deutschland anerkannt wurde. Er kam in eine Flüchtlingsklasse an der Berufsschule, um Deutsch zu lernen. Dafür, dass er erst knapp anderthalb Jahre in Deutschland ist, spricht er die Sprache schon beeindruckend gut.

Für Gerd Friedrich Witthus, Geschäftsführer von Sykatec, ist er ein normaler Auszubildender: "Omar hat wie jeder das Auswahlverfahren durchlaufen. Er hat den Aufnahmetest bestanden und ist sehr motiviert." Die Einstellung kommt auch nicht aus der Not heraus, denn einen Mangel an Bewerbern gibt es nicht. Aus der jüngsten Flüchtlingswelle ist Omar der erste, der bei Sykatec anfängt, "aber bestimmt nicht der letzte. Vor ein paar Jahren haben wir viele Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien eingestellt. Gänzlich neu ist die Situation nicht", so Witthus.

Sykatec hat 400 Angestellte. Jährlich fangen zwischen drei und sieben junge Leute eine Ausbildung an, die meisten als Industriemechaniker. Für Omar ist so für die nächsten dreieinhalb Jahre das Bleiberecht gesichert. Er wird schweißen, stanzen, fräsen - begeistert erzählt er von den Maschinen, die er in einem Schnupperpraktikum bereits gelernt hat zu bedienen. Sykatec stellt Komponenten für die Antriebstechnik her. Siemens verbaut diese dann zum Beispiel in Zügen. "Es ist nicht einfach, meiner Familie in Somalia zu erklären, was ich hier mache. Siemens kennt dort niemand", sagt Omar.

Den Kontakt nach Hause zu halten, ist schwierig. Die al-Shabaab hat die Nutzung des Internets unter Strafe gestellt. Seine Eltern müssen 20 Minuten zu einem Call-Shop laufen, um zu telefonieren. Wenn Omar von der Heimat erzählt, wird er leiser. "Ich habe Angst um meine Familie, aber ich kann nicht zurück, denn dann müsste ich kämpfen." Deshalb möchte er hier auch kein Somalisch sprechen und sucht sich bewusst deutsche Freunde. Nur der trotzige Unterton in seiner Stimme erinnert manchmal daran, dass Omar fast noch ein Kind ist.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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