Nahaufnahme:Gegen die Mafia

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Ein ukrainischer Minister versucht, neue Unternehmen ins Land zu locken - besonders geht es ihm dabei um die Autoindustrie.

Von Markus Balser

Welches Amt Infrastrukturminister Volodymyr Omelyan, 38, da vor gut einem Jahr in Kiew übernahm? Ein ukrainischer Investigativ-Journalist brachte es auf den Punkt: Die riesige Infrastrukturbehörde in der ukrainischen Hauptstadt, die mit der Eisenbahn, Häfen und Flughäfen über 600 000 Beschäftigte, ein Reich von Staatsunternehmen und viel Geld herrsche, sei ein "Mafia-Ministerium". Die einen Vorgänger unter Korruptionsverdacht, andere tot - manche beides, schrieb die Kiew Post zum Antritt Omelyans im April 2016.

Omelyan ließ als Erstes die Bilder seiner Vorgänger aus seinem Wartezimmer verbannen. Für die organisierte Kriminalität sei die Benennung eines Reformers ein großer Verlust, meinte Omelyan. Seit einigen Monaten reist der Hoffnungsträger des Landes nun schon durch Europa, um die Verbindungen der Ukraine mit dem Westen des Kontinents zu verbessern. In den vergangenen Tagen traf Omelyan Politiker und Industrielle in Deutschland. Es geht um die Modernisierung maroder Straßen und Schienenwege, um neue Züge, Flugverbindungen und Häfen. Und um politische Verbindungen.

Denn Omelyan spürt, wie schwer die Aufgabe ist. Die Situation des Landes sei nach wie vor schwierig, der Konflikt im Osten ungelöst, sagt der Minister der SZ. Es gebe dort nach wie vor Probleme mit dem Einfluss des großen Nachbarn Russland. "Jeden Tag Schießereien. Jeden Tag verletzte und getötete Soldaten. Wir versuchen, das Land trotzdem so schnell es geht zu reformieren. Die Ukraine muss ein anderes Land werden. Eine neue Ukraine."

Nur wie? Teile des Straßennetzes sind in schlechtem Zustand, die öffentlichen Kassen leer. Trotzdem brauche die Ukraine zehn Milliarden Dollar für Investitionen in die Infrastruktur - jährlich und über zwölf bis 15 Jahre. Nur dann sei eine echte Modernisierung möglich, heißt es aus seinem Ministerium. Omelyan sucht deshalb im Ausland nach Investoren. Bis Ende des Jahres solle eine neue ukrainische Billig-Airline mithilfe von Investoren und einer ausländischen Minderheitsbeteiligung ihren Betrieb starten und auch nach Deutschland fliegen. In fünf bis zehn Jahren will die Regierung eine erste Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke etablieren.

Omelyan ist Teil der neuen Elite des Landes. Verheiratet mit der bekanntesten Designerin der Ukraine, ausgebildet als Ökonom und Diplomat mit viel Erfahrung mit der Bürokratie des Landes und Vater eines Sohnes. Dass Reformer wie er, die fast fließend Englisch sprechen, nun seit einigen Monaten verstärkt um das Engagement der Industrie werben, wird auch in den Chefetagen registriert. Derzeit führt Tesla Gespräche mit der Ukraine über den Bau eines Zuliefererwerks. Denn Omelyan will sein Land zu einem der Elektroauto-Vorreiter in Europa machen. Neue Gesetze für Elektromobilität versprechen Steuererleichterungen für bis zu 15 Jahre - wenn die Autos im Land produziert werden. Die Ukraine wolle mit der Konzentration auf die neue Technik dem Beispiel der Slowakei folgen, sagt er. Das Land habe sich innerhalb von zehn Jahren zu einem der wichtigsten Standorte der Autoindustrie in Europa entwickelt. Mercedes, Tesla, BMW: "Nur das Geld großer westlicher Firmen kann hier etwas ändern", ist sich Omelyan sicher.

Doch auch der Minister weiß, dass Risiken bleiben. "Russland hat unsere digitale Infrastruktur mehrmals angegriffen", sagt Omelyan. Mal trafen Cyberangriffe Flughäfen, mal die Bahn, mal Stromnetze. "Wir versuchen unsere Infrastruktur mit allem zu schützen, was wir haben", sagt der Minister. Ganz sicher, das hätten inzwischen auch westliche Industrienationen spüren müssen, sei man vor solchen Angriffen aber nie.

© SZ vom 09.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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