Nahaufnahme:Er will mehr, als er darf

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Frankreichs Wirtschaftsminister Le Maire soll das Land modernisieren. Keine leichte Aufgabe, denn ihm fehlen die Spielräume.

Von Leo Klimm

Ein prinzipienloser Karrierist. Das ist Bruno Le Maire für seine Kritiker. Exakt drei Minuten nach dem Ausscheiden des konservativen Kandidaten bei Frankreichs Präsidentenwahl im Frühjahr hatte Le Maire schon die eigene Partei verraten, um zu Favorit Emmanuel Macron überzulaufen. Le Maires (wenige) Anhänger sehen in ihm - ganz im Gegenteil - einen Mann, der seinen Überzeugungen treu ist. Und der nur die Gelegenheit ergriffen hat, sie in die Tat umzusetzen: Le Maire verheißt nichts weniger als eine "radikale Transformation der französischen Wirtschaft".

Der 48-jährige Konservative, den der sozialliberale Präsident Macron mit dem Posten des Wirtschafts- und Finanzministers belohnt hat, soll das Land modernisieren. Soll Steuern, Abgaben und Ausgaben senken und - unter Einsatz seines perfekten Deutsch - die Bundesregierung gewogen halten, damit Macron später eine Vertiefung der Euro-Zone verhandeln kann. Für Le Maire selbst wird es dabei jedoch bald darum gehen, dass er nicht nur verwaltet, sondern auch gestaltet. Dass die Freude über den Posten nicht in Frust umschlägt.

Denn seine Spielräume zur vermeintlichen "Transformation" Frankreichs sind gering. Zum einen, weil die Senkung des Staatsdefizits absoluten Vorrang genießt; diese Woche mussten deshalb schon Steuersenkungen verschoben werden. Zum anderen macht Macron, einer von Le Maires Amtsvorgängern im Ministerium, sehr präzise Vorgaben. Dabei hatte Le Maire vor einigen Monaten selbst noch Ambitionen auf das höchste Staatsamt, scheiterte aber in der Vorwahl der Konservativen.

Immerhin darf Le Maire jetzt als Minister ein Wahlkampfversprechen Macrons bestätigen, das ihm hilft, nicht als reiner Sparkommissar zu enden. Er verkündete den Verkauf von Staatsbeteiligungen, um so einen Innovationsfonds zu finanzieren. Da sei das Geld besser angelegt als in manchem Staatskonzern, findet Le Maire, womit er wohl Unternehmen wie den Gasversorger Engie oder den Flughafenbetreiber ADP meint. Allerdings dürfte er die Beteiligungen kaum so weit abbauen, dass Paris die Kontrolle über die Firmen verliert. Die angepeilten Gesamterlöse von zehn Milliarden Euro entsprechen ohnehin nur einem Zehntel aller Staatsbeteiligungen.

Le Maire mag sich in der Rhetorik radikal und liberal geben. "Frankreich krepiert an der Herrschaft der Technokraten und Apparatschiks, für die Politik alles ist", sagte er einmal. Das war durchaus selbstkritisch, er gehört ja selbst zur beschriebenen Sorte. Eine grundlegende Abkehr vom französischen Etatismus kann er deswegen kaum verkörpern: Der Pariser Bourgeoisie entstammend, durchlief Musterschüler Le Maire gleich drei der wichtigsten Kaderschmieden Frankreichs, darunter, wie Macron, die Verwaltungshochschule ENA. Danach machte der Vater von vier Söhnen, der mit einer Malerin verheiratet ist, Karriere als Diplomat und Politiker.

Überhaupt ähnelt Le Maire dem jungen Präsidenten in seiner Ausbildung, der politischen Ausrichtung, in seinem Ehrgeiz. Wobei dem groß gewachsenen, etwas steif wirkenden Minister Macrons Charisma abgeht. Dafür sind seine Versuche in der Belletristik weniger umstritten - Le Maires Romane erscheinen im hoch angesehenen Verlag Gallimard. Auch in deutscher Literatur ist der Schöngeist bewandert.

Nicht zuletzt, weil er Deutschland-Freund ist und aus seiner Zeit als Agrarminister des konservativen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy in Berlin bestens bekannt, hat ihn Macron zum Finanz- und Wirtschaftsminister erkoren. Er arbeite mit dem Amtskollegen Wolfgang Schäuble auch schon fleißig an der "Transformation der Euro-Zone", sagt Le Maire. Noch so eine "Transformation", die mehr Frust als Freude bringen könnte.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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