Nahaufnahme:Entführt und gefoltert

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"Mein Leben wurde zerstört, weil ich mich gegen Menschenrechts-Verletzungen und Umweltverschmutzung einsetzte." Gilberto Torres. (Foto: Reuters)

Der kolumbianische Gewerkschafter Gilberto Torres verklagt BP in London: "Mein Leben wurde zerstört."

Von Björn Finke

Es ist schon 13 Jahre her, aber für ihn ist diese Vergangenheit immer noch sehr lebendig. Die Ereignisse damals warfen sein Leben aus der Bahn: Gilberto Torres, heute 52, wurde 2002 von kolumbianischen Paramilitärs entführt, gefoltert und erst nach 42 Tagen freigelassen. Torres arbeitete beim staatlichen kolumbianischen Ölförderer Ecopetrol in der Region Casanare, im Osten des Landes. Als Gewerkschafter kämpfte er für die Rechte der Beschäftigten und Anwohner. "Mein Leben wurde zerstört, weil ich mich gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung eingesetzt habe", sagt er. Und deswegen klagt der Kolumbianer nun vor dem High Court in London auf Schadenersatz - gegen BP, denn der britische Ölkonzern soll seine Peiniger indirekt finanziert haben.

In Kolumbien tobt seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, Armee und von der Armee gestützten Paramilitärs. Torres' Anwälte sagen, der Pipeline-Betreiber Ocensa habe Geld an die Armee gezahlt, damit diese die Leitungen gegen Rebellenangriffe schützt. Die zuständige Brigade soll mit Paramilitärs zusammengearbeitet haben. Ocensa ist eine Gemeinschaftsfirma des staatlichen Ölkonzerns Ecopetrol mit anderen Förderfirmen. BP hielt zum Zeitpunkt der Entführung einen Minderheitsanteil an Ocensa. Im Jahr 2011 standen Paramilitärs wegen der Verschleppung von Torres in Kolumbien vor Gericht und sagten aus, Ocensa habe das Verbrechen angeordnet und unterstützt.

Daraufhin reichte der Gewerkschafter, der nach seiner Freilassung aus Kolumbien nach Spanien geflohen war, Anfang 2012 Klage in den USA gegen BP ein. Die zog er jedoch zwei Jahre später zurück; stattdessen bereiteten seine Anwälte eine Klage am High Court in London vor, weil ihnen das erfolgsversprechender erscheint. Der High Court ist eins der höchsten Gerichte für England und Wales. Die Verhandlung hat noch nicht begonnen, und Torres' Londoner Anwältin sagt, das ganze Verfahren könne sich über Jahre hinziehen.

BP erklärt in einer Stellungnahme, man verurteile die Entführung, widerspreche aber kategorisch dem Vorwurf, von dem Verbrechen gewusst zu haben. Als Minderheitsanteilseigner bei Ocensa habe BP mit dem Betrieb der Pipelines nichts zu tun gehabt; der Konzern habe Paramilitärs nie unterstützt und Gewalttaten stets öffentlich missbilligt. Darum werde sich BP vor Gericht energisch gegen Torres' Anschuldigungen verteidigen, kündigt das Unternehmen an. Ocensa und Ecopetrol bestreiten ebenfalls eine Verwicklung.

Torres fängt 1989 bei der staatlichen Ölgesellschaft an und engagiert sich bald bei der Gewerkschaft. Er prangert Umweltverschmutzung an und setzt sich für die Rechte der Arbeiter und Bewohner der Fördergebiete ein. Als ein Gewerkschafter entführt wird, ruft er zu Protesten auf; Beschäftigte der Ocensa-Pipeline streiken. Diese Aktionen hätten ihn zum Ziel gemacht, vermutet Torres heute. Wenige Monate später wird er selbst entführt, auf dem Heimweg von einer Ocensa-Pumpstation. Seine Peiniger töten vor seinen Augen einen Gefangenen, einen mutmaßlichen linken Rebellen, und zerhacken die Leiche - dieses Schicksal stehe ihm auch bevor, lautet die Botschaft. Die Paramilitärs behaupten, seine Frau und seinen Sohn in ihrer Gewalt zu haben, was zum Glück nicht stimmt.

Die Gewerkschaft organisiert nach dem Verschwinden einen Streik, der Fall macht im Ausland Schlagzeilen. Dies rettet Torres, die Paramilitärs lassen ihn anders als so viele andere Entführte frei. Er flieht außer Landes, doch seine Ehe überlebt das Exil nicht. Seinen Sohn sehe er seit der Trennung nur selten, klagt der Aktivist.

Der Prozess gegen BP soll nun zumindest ein wenig Gerechtigkeit bringen für Gilberto Torres' Leid.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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