Nahaufnahme:Digitale Seidenstraße

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"Die chinesische Mittelschicht hat einen unheimlichen Appetit auf Qualitätsprodukte aus Europa." Terry von Bibra (Foto: dpa)

Terry von Bibra leitet seit Kurzem das Deutschland-Geschäft von Alibaba. Das ist ziemlich klein - wozu brauchen die Chinesen denn einen solchen Manager?

Von Benedikt Müller

Wenn Terry von Bibra mit Unternehmern aus Deutschland spricht, dann muss er zunächst erklären, für wen er überhaupt arbeitet. Der 52-jährige Amerikaner mit fränkischen Wurzeln leitet seit November das Deutschland-Geschäft von Alibaba. Der chinesische Konzern dominiert zwar den boomenden Onlinehandel in China. Doch hierzulande verkauft Alibaba nur ein paar chinesische Produkte - in einem schlecht übersetzten Onlineshop. Wozu brauchen die Chinesen also einen neuen Deutschland-Chef? Und brauchen Unternehmer hierzulande überhaupt Alibaba?

Eine typische Szene am Wochenende auf der Schmuckmesse Inhorgenta in München: Bibra, dunkelblauer Anzug, hellblaues Hemd, überreicht fleißig Visitenkarten an hiesige Mittelständler. Mit beiden Händen, wie es in China üblich ist. Zwei Vertreter erkundigen sich, wie Bibra ihnen helfen könne, auf den schwierigen chinesischen Markt zu treten. Und was Alibaba gegen die vielen Plagiate unternehme. Bibra nickt verständnisvoll, antwortet in ruhigem Deutsch. Seine zwei chinesischen Kolleginnen schreiben mit.

Dass Bibra zu Alibaba gewechselt ist, war ein kleiner Coup für den Konzern - und für den 52-Jährigen selbst. Seine Karriere als Marketing-Manager hatte einst beim Onlinehändler Amazon begonnen. 2005 wechselte Bibra als Deutschland-Chef zu Yahoo. Damals betrieb der Krisen-Konzern noch das weltweit größte Onlineportal. Von 2013 an versuchte Bibra vergeblich, das Internetgeschäft von Karstadt in die Gewinnzone zu führen - bis er bei der Handelskette hinschmiss. Nun also Alibaba. Der Konzern hat seine deutsche Zentrale in München bezogen; Bibra lebt seit Jahren mit seiner Familie in der Stadt.

Auf der Schmuckmesse schwärmt der Manager, er sehe großes Potenzial für hiesige Hersteller im chinesischen Internethandel. "Es gibt schon jetzt mehr aktive Online-Shopper in China, als die USA Einwohner haben", rechnet Bibra vor. Und die würden in den nächsten Jahren weiter fleißig einkaufen. "Die chinesische Mittelschicht hat einen unheimlichen Appetit auf Qualitätsprodukte aus Europa." Stolz erzählt Bibra vom 11. November, den Alibaba in China zum Tag der Singles erklärt hat, an dem sich die einsamen Herzen etwas gönnen sollen. Alleine 1,1 Millionen Uhren seien an dem einen Tag über Alibabas Plattformen verkauft worden. Das Münchner Publikum lächelt kopfschüttelnd.

Alibabas Expansion nach Europa verklärt Bibra zur philanthropischen Mission: "Wir sehen uns als Ökosystem, das auf der ganzen Welt Unternehmen hilft, Handel zu treiben." Der chinesische Konzern plane nicht, dem hiesigen Marktführer Amazon mit einem Online-Warenhaus Konkurrenz zu machen, sagt Bibra. Sein Münchner Büro wolle vielmehr mitteleuropäischen Firmen helfen, ihre Online-Strategien in China umzusetzen. Darüber hinaus sei denkbar, einige Alibaba-Dienstleistungen nach Deutschland zu bringen. So könnte "Alipay" chinesischen Kunden ermöglichen, in hiesigen Geschäften bequem mit ihrem Smartphone zu bezahlen - wie es in China bereits üblich ist. "Der Rest ergibt sich", hält sich Bibra bedeckt.

Der Nachkomme eines fränkischen Adelsgeschlechts rollt das R manchmal süddeutsch, manchmal kalifornisch. Dort, im Südwesten der USA, ist Bibra aufgewachsen, studierte Germanistik, dann Werbefotografie. In München eröffnete er 1989 ein Fotostudio. Dann wurde es ihm zu öde, immer nur die Ideen anderer Leute umzusetzen. Er hängte ein Management-Studium an und startete bei Amazon durch. Dass er für seinen neuen Job zwar Marketing-, aber keine China-Erfahrung nachweisen kann, stört Bibra nicht. Schließlich habe er bislang bei jeder Karrierestation die Komfortzone verlassen.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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