Nahaufnahme:Die Tochter-Gesellschaft

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Verena Bahlsen sucht nach neuen Lebensmitteln. Mit ihrem Start-up Hermann's will sie Kunden erreichen, die mit Essen anders umgehen als vorige Generationen.

Von Katharina Kutsche

Bahlsen, der Kekshersteller aus Hannover, hat ein Mini-Schnellboot ausgesandt. So jedenfalls beschreibt Verena Bahlsen, Tochter des Geschäftsführers Werner M. Bahlsen, ihr Start-up Hermann's. Ihre Mission: Neuerungen in der Welt der Lebensmittel finden und für die Industrie nutzbar machen. "Ich glaube, dass eine Generation heranwächst, die anders damit umgeht, wie wir Essen betrachten, was Einkaufen für uns bedeutet. Und zwar, weil wir das auch müssen", sagt Bahlsen, 24. "Unser Leben ist nicht nachhaltig."

Hermann's besteht derzeit aus einer Webseite und einem Restaurant in Berlin. Von dort aus suchen Bahlsen und ihre Mitgründerin Laura Jaspers nach Menschen mit neuen Ideen rund ums Essen, Gastronomen etwa oder Food-Blogger. "Die finden sich digital - wo wir als Industrie nicht hinschauen." Ihr, der Industrie, greifbar machen, an welchen Innovationen gearbeitet wird beziehungsweise welche es gibt, sei daher die größte Herausforderung. "Das soll nicht arrogant klingen", sagt Bahlsen. Aber vieles laufe unter dem Radar der Unternehmer. Etwa im Bereich Milchprodukte, wo es Gründer gebe, die Milch aus der gelben Erbse gewinnen und das ressourcenschonend. Andere Gründer fermentieren Kuhmilch mithilfe von Hefe.

Über diese Menschen berichtet Hermann's auf seiner Webseite, baut eine Beziehung zu ihnen auf, um sie für den stark fragmentierten europäischen Markt zu interessieren. Kernprodukt soll eine Datenbank werden, in der Innovatoren und Trends nach ihren Besonderheiten, Technologien, aber auch ihrer Relevanz klassifiziert sind: Was ist zukunftsfähig? Was ist skalierbar? Dafür bauen Bahlsen und Jaspers ein Netzwerk an Food-Experten auf, die sie mit der Industrie vernetzen. Sie selbst sehen sich als Übersetzer zwischen beiden Gruppen. Das Berliner Restaurant ist "das haptische Element", der Ort, an dem sich das Netzwerk entwickeln kann, bei gemeinsamen Veranstaltungen etwa.

Das Start-up ist nach Hermann Bahlsen benannt, Verenas Urgroßvater, der das Familienunternehmen 1889 gründete. Vor zwei Jahren hatte sich die Familie aufs Land zurückgezogen und mit einem Coach überlegt, wie es in den nächsten 15 Jahren mit dem Unternehmen weitergehen soll. Die Ausgangsfrage: Wofür stand eigentlich Hermann Bahlsen, warum gründete er? "Wir wollten uns nicht zu weit von unseren Wurzeln entfernen", sagt Verena Bahlsen. Immer wieder streut sie englische Worte ins Gespräch, Heritage statt Wurzeln etwa, und entschuldigt sich dann dafür. Sie sei auf englische Schulen gegangen, da falle ihr manchmal das deutsche Wort nicht ein. Die Bahlsens stellten jedenfalls fest, dass ihre Wurzeln eben nicht im Backen liegen, sondern im Finden. Uropa Hermann war gelernter Kaufmann, er bereiste die Welt, suchte nach Ideen für Produkte, fand sie in haltbaren Keksen in England.

Urenkelin Verena studierte Kommunikation und Management in London und New York und entdeckte eine Branche für sich, die sie als Food-Bereich bezeichnet. Gemeinsam mit Jaspers, einer Mitarbeiterin ihres Vaters, überlegte Bahlsen, wie sie diese Themen langfristig verstehen und für das Keks-Unternehmen nutzen können. Im Alltagsgeschäft könne man über so etwas nicht nachdenken, "deswegen gehen wir in deren Auftrag raus".

Auch wenn Hermann's eine Tochtergesellschaft des Bahlsen-Unternehmens ist, soll sie separat vom Mutterbetrieb laufen. Innovatoren sollen nicht das Gefühl bekommen, dass ihre Ideen automatisch im Unternehmen verschwinden. Ob sie später selbst beim Kekshersteller einsteigt, weiß Verena Bahlsen noch nicht: "Ich bin noch viel zu jung und verstehe noch nicht, was es heißt, CEO von so einem Unternehmen zu sein."

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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