Nahaufnahme:Der Fragensteller

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Wie Menschen Waren kaufen, interessiert Dirk Hörig schon lange. Er hat eine Firma gegründet, die Unternehmen zeigt, wie moderner Handel aussieht.

Von Lea Hampel

"Noch Ende der Neunzigerjahre", erinnert sich Dirk Hörig, "lautete in den meisten Unternehmen die Frage: Onlineshop, ja oder nein?" Er grinst, so weit scheint diese Zeit weg. Heute, wo diskutiert wird, ob Waren bald schon per Klick in der Wohnung geordert und alle Päckchen von Drohnen ausgeliefert werden. Und doch, dieser Blick zurück lohnt sich, vor allem für Hörig. Denn wie Menschen Waren kaufen, interessiert den 38-Jährigen schon lange - und dass er genau hinschaut, hat ihn zum Chef seiner Firma Commercetools gemacht. Sie unterstützt andere Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Onlinehandelsangebote.

Wie es dazu kam? Hörig hat, so sagt er, die "Zeichen der Zeit erkannt". Mit anderen Worten: Er hat früh verstanden, dass Handel schneller und flexibler werden muss. Schon 2001 hatte er während des Studiums eine Firma für Onlineshops gegründet. Allmählich wurde ihm klar: Der einfache Onlineshop würde bald nicht mehr reichen. 2006 beschloss er, mit ehemaligen Kollegen Commercetools aufzuziehen. Damals war die Idee, Cloudlösungen für den Onlinehandel anzubieten - damit Firmen, wenn es nötig ist, schnell reagieren können. Warum das nötig ist, erklärt Hörig gern an einem Beispiel. Als Red Bull einen Formel-1-Fahrer sponserte und der plötzlich erfolgreich war, stieg die Zahl der Zugriffe auf die Website und die Menge der Bestellungen über Nacht um ein Vielfaches. Entsprechend notwendig war es, den Onlineshop an die gestiegenen Anforderungen anzupassen.

Im schnelllebigen digitalen Zeitalter entstehen solche Situationen immer häufiger. Vor allem mit der Verbreitung der Smartphones hat sich gewandelt, wie und wo gekauft wird. Die Zahl der Menschen, die ihre Produkte von Windeln über Balkonpflanzen bis zur Couch im Internet bestellen, steigt täglich. Und weil sie das zunehmend auf dem Handy in der U-Bahn oder dem iPad in der Besprechung machen, ist digitaler Handel eine komplizierte Angelegenheit. Mittlerweile bietet Commercetools deshalb nicht nur die Cloudleistung an - sondern ermöglicht, dass Kunden ihre Produkte auf verschiedenen Kanälen kaufen können.

Bevor solche Technik zum Einsatz kommt, muss Hörig mit den Kunden Grundsatzfragen besprechen: "Wer ist mein Kunde? Wo kauft er ein? Wer ist mein Wettbewerber? Und vieles mehr", sagt er. Das ist nicht immer einfach - weil es gelegentlich zu der Frage führt, ob nicht eine andere Strategie nötig ist. Beispiel: Unilever hat ein Start-up für ein Rasierklingen-Abonnement gekauft - und so dem Konkurrenten Procter & Gamble und dessen Marke Gillette geschadet. Dafür allerdings war massives Umdenken nötig. "Digitale Transformation klingt immer spannend", sagt Hörig, "aber sie ist natürlich auch anstrengend. Sie bedeutet für die Betroffenen, dass sie sich aus der eigenen Komfortzone bewegen müssen." Wenn er in Unternehmen im Einsatz ist, über neue Ansätze im Handel und die Chancen des digitalen Wandels spricht, geht es oft um die "Abers", und was man alles nicht machen kann. "Das ist ein Kulturproblem im Land der Ingenieure." Und doch: Allmählich wächst die Bereitschaft in deutschen Unternehmen umzudenken. Damit wächst Hörigs Kundenstamm. Für Commercetools arbeiten 115 Menschen, seit 2014 gehört die Firma zu Rewe Digital. Über den Erfolg freut sich Hörig. Manchmal ist er nostalgisch, nicht mehr in alle Details eingeweiht zu sein. Doch er hat Spaß daran, die Strategie auszuarbeiten.

Zwar kann auch er nicht vorhersagen, wohin sich der Onlinehandel entwickelt. "Aber man weiß: Er wird sich verändern, und das schnell. Veränderungen nehmen in der Regel immer an Geschwindigkeit zu."

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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