Nahaufnahme:Der Erweckte

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"Ich bin immer noch ein Thatcherist. Ich glaube an einen kleineren Staat und niedrigere Steuern." Sajid Javid. (Foto: AFP)

Der neue britische Wirtschaftsminister Sajid Javid hat Margaret Thatcher als Vorbild. Sie ging keinem Streit mit Gewerkschaften aus dem Weg.

Von Björn Finke

Auf genau solche Streiks zielt das neue Gesetz des ehrgeizigen Ministers ab. Am Wochenende gab die britische Transportgewerkschaft RMT bekannt, dass die Beschäftigten des Schienennetzbetreibers Network Rail am Pfingstmontag und am Dienstag die Arbeit niederlegen wollen. Verspätungen und Zugausfälle für Millionen Fahrgäste werden die Folge sein. Sajid Javid, 45, neuer Wirtschaftsminister des Königreichs, will Streiks schwieriger machen, wenn sie das öffentliche Leben beeinträchtigen, etwa bei Bahnen, in Schulen oder Krankenhäusern. Bei der Urabstimmung sollen hier höhere Hürden gelten. Schon einen Tag nach seiner Ernennung kündigte er dieses umstrittene Vorhaben an - Gewerkschaftsvertreter schäumen.

Den Konservativen wird das nicht schrecken: Schließlich nennt er Margaret Thatcher als großes Vorbild, und die Eiserne Lady ging keinem Streit mit Gewerkschaften aus dem Weg. "Ich bin immer noch ein Thatcherist", sagt der Sohn armer Einwanderer aus Pakistan. "Ich glaube an einen kleineren Staat und niedrigere Steuern."

Manche Kommentatoren trauen Javid durchaus zu, wie Thatcher einmal das Land zu führen. Oder zumindest die Konservative Partei, die Tories, in die er schon als Student eintrat. Bislang verlief sein Aufstieg in der Politik jedenfalls rasant: Erst 2010 wurde er ins Parlament gewählt, er und ein Kollege waren die ersten zwei konservativen Abgeordneten mit pakistanischen Wurzeln. Schatzkanzler George Osborne berief ihn bereits ein Jahr darauf in seinen Stab, 2014 wurde der verheiratete Vater von vier Kindern als erster Moslem britischer Minister - ausgerechnet für Kultur. Dabei gilt der frühere Investmentbanker nicht gerade als Schöngeist. Er ist bekennender Fan der irischen Popgruppe U2 und der Science-Fiction-Serie "Star Trek".

Das Wirtschaftsressort dürfte besser passen zu Javid, der in Exeter Ökonomie und Politik studierte und dann bei Chase Manhattan in New York sowie der Deutschen Bank in London und Singapur Karriere und einige Millionen machte.

Premierminister David Cameron musste sich immer viel Kritik anhören, dass er in sein Kabinett vor allem weiße Männer aus gutem Haus berufe, Absolventen teurer Privatschulen. Nachdem er vor zwei Wochen bei den Wahlen überraschend die absolute Mehrheit der Mandate gewonnen hatte, hob er nun mehr Konservative aus einfachen Verhältnissen auf wichtige Posten. Und Javid wuchs tatsächlich in sehr einfachen Verhältnissen auf. Sein vor zwei Jahren verstorbener Vater Abdul zieht 1961 als mittelloser Einwanderer nach Großbritannien, er arbeitet als Busfahrer und Schaffner - nahezu rund um die Uhr, weswegen er den Spitznamen "Mr. Night and Day" verpasst bekommt. Mit dem mühsam Ersparten übernimmt der Vater in Bristol einen Laden für Damenmode.

Die Familie lebt in der kleinen Wohnung über dem Geschäft. Javid und ein Bruder schlafen im Zimmer der Eltern, die anderen drei Brüder in dem zweiten Schlafzimmer. Javid schaut oft zusammen mit seinem Vater die Nachrichten im Fernsehen, sein Vater regt sich häufig über die Gewerkschaften auf, die Ende der Siebzigerjahre das Land mit Streiks lahmlegen. Javid wird so schon früh zum Thatcher-Fan.

Ende der Neunzigerjahre trifft der Banker sein Idol persönlich, auf einem Empfang der Tories. Die frühere Premierministerin habe seine Hand mit beiden Händen gehalten, erinnert er sich, sie habe ihn direkt angeschaut und "Sajid" gesagt. Er habe "Ja" geantwortet. "Sajid, du wirst unsere großartige Insel schützen", habe Thatcher daraufhin gesagt. Der Banker versprach es ihr, sie ging weiter, ohne sich zu verabschieden: das Erweckungserlebnis des Sajid Javid. Er nimmt jene Berufung offenbar sehr ernst.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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