Nahaufnahme:Der Diplomat

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Die deutsche Wirtschaft soll auch in Zukunft am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland partizipieren": Wolfgang Büchele. (Foto: dpa)

Linde-Chef Wolfgang Büchele soll den Russland-Handel beruhigen - er ist der neue Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft.

Von Karl-Heinz Büschemann

Der Mann ist ein alter Hase in der Industrie. Wolfgang Büchele, 56, der Chef des Münchner Industriegaslieferanten und Anlagenbauers Linde, hatte schon viele Jahre ganz oben in der Industrie verbracht, bevor er 2014 an die Linde-Spitze rückte. Aber der Mann, der lange bei der BASF war und unter Fachleuten als Kandidat für den Chefposten in Ludwigshafen galt, blieb dem breiteren Publikum lange verborgen. Jetzt wird er eine Art Chefdiplomat der Wirtschaft. Am morgigen Mittwoch soll der Linde-Chef zum Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft gewählt werden. Damit ist er vom 1. Januar an Nachfolger von Eckhard Cordes als oberster Interessenvertreter von Industrie und Handel in den Wirtschaftsbeziehungen mit Osteuropa und Russland.

Damit halst er sich ein heikle Aufgabe auf, die Fingerspitzengefühl verlangt. Seit dem Sommer des vergangenen Jahres gelten wegen der im Westen umstrittenen Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Krim und in der Ukraine strenge Sanktionsregeln für Geschäfte mit Russland. Dessen Wirtschaft leidet, und deutsche Firmen müssen auf Geschäfte verzichten. Das tut vielen weh, und Büchele muss eine schwierige Balance hinbekommen: Er muss den Vorgaben der Politik auf Zurückhaltung im Handel mit Russland Genüge tun und zugleich erreichen, dass die Türen nicht zugeschlagen werden und Geschäfte dauerhaft gefährdet werden.

Der Mann von Linde gibt sich vorsichtig: "Ich werde erst einmal unseren Mitgliedsfirmen zuhören", sagt er intern. Er wolle wissen, was sie von ihm erwarten, "Die deutsche Wirtschaft soll auch in Zukunft am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland partizipieren", sagte Büchele vor einigen Tagen. Das klingt einfach. Doch die Mitglieder des Ostausschusses und Kanzlerin Merkel erwarten ein verändertes Auftreten des Verbandes. Der Noch-Chef Eckhard Cordes, der früher im Daimler-Vorstand saß und von 2007 bis 2011 Vorstandschef der Metro war, hatte mit wenig diplomatischer Art vor allem in der Bundesregierung für Unzufriedenheit gesorgt. Der Grund ist nicht, dass der frühere Metro-Mann die Sanktionen kritisierte, die auch anderen deutschen Wirtschaftsvertretern ein Dorn im Auge sind. Als störend wurde empfunden, dass Cordes seine Äußerungen meist nicht mit der Bundesregierung abgestimmt hatte, und die Kanzlerin Cordes Meinung in der Zeitung las. Erst jetzt hat der scheidende Ausschuss-Chef wieder erklärt, was viele denken. Die Sanktionen gegen Russland seien ein Fehler.

"Wir haben gesehen, dass sie die politischen Probleme nicht lösen können", sagte Cordes jetzt dem Handelsblatt. "Wir sollten deshalb schon jetzt die Diskussion über den Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen beginnen." Die Handelsbeschränkungen hätten in der deutschen Wirtschaft massiven Schaden angerichtet, ist die Meinung von Cordes. Dass Cordes solche Sätze sagt, ohne die Bundesregierung zu informieren, hat offenbar dazu geführt, dass der Ostausschuss im Kanzleramt an Einfluss verloren hat. So etwas missfällt manchem Manager.

Das soll Büchele ändern, von dem es heißt, er sei der Wunschkandidat der Kanzlerin. Und nichts anderes erwarten die Unternehmen von ihm. Dabei gilt es als ein Vorzug, dass Büchele ein ruhiges und unaufgeregtes Auftreten hat und dass er jahrelang für mehrere Firmen im Ausland gearbeitet hat. Linde ist zudem seit Jahren einer der Sponsoren der Münchner Sicherheitskonferenz, auf der sich jedes Jahr die politischen Potentaten der ganzen Welt treffen und zwanglos debattieren. Büchele ist dabei. Auch wenn die Kanzlerin politisch heikle Länder bereist, sitzt Büchele meist mit im Flugzeug. Das schafft Vertrauen.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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