Nahaufnahme:Der Dachdecker

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"Wir spüren eine Abkühlung in China, aber das ist eigentlich Klagen auf hohem Niveau." Holger Engelmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Holger Engelmann ist Chef des Autozulieferers Webasto. Er muss dabei zwischen Bayern und China pendeln - und verkauft vor allem Cabriodächer.

Von Thomas Fromm

Automanager sind, was ihre Produkte betrifft, schon mal per se im Vorteil gegenüber anderen Managern. Wenn sie Journalisten treffen, um über Gewinn und Absatz zu sprechen, können sie immer gleich auch ein paar neue Autos mitbringen. Für alle Fälle stehen dann draußen vor dem Saal immer ein paar schicke Boliden bereit.

Andere Menschen, zum Beispiel Versicherungsmanager, haben es da nicht so gut. Was sollten sie auch zeigen? Haftpflichtpolicen etwa?

Chefs von Autozulieferern waren da immer ein bisschen in der Mitte. Ihre Produkte - nicht ganz so sexy wie ein Sportcabrio, aber immer noch besser als Prämienkalkulationen - kann man zwar zeigen, allerdings erklärt sich so eine Bremsscheibe nicht von alleine. Man muss nachhelfen.

Holger Engelmann, 50, verkauft keine ganzen Autos, aber er zeigt Journalisten trotzdem, was er hat. Der gebürtige Krefelder ist Chef des Automobilzulieferers Webasto aus Stockdorf bei München, eines Marktführers für Dachsysteme und Standheizungen. Und wenn er seine Solardächer und Dachblenden aus leichtem Polycarbonat auspackt, dann ist das ein bisschen so, als würde da einer seine Autos zeigen.

Über ein Panoramadach lässt sich eine ganze Menge sagen, und Engelmann sagt dann: "Bevor wir jetzt zu Ihren Fragen kommen, möchte ich Ihnen gerne noch etwas zeigen." Ok, wir haben hier jetzt keine Audi TT Roadster und auch keine BMW 2er Cabrios im Angebot. Aber was wären die ohne unsere Cabrio-Dächer?

Als Engelmann im Januar 2013 Franz-Josef Kortüm an der Webasto-Spitze ablöste, der damals in den Aufsichtsrat wechselte, da munkelte die Szene. Oha, große Fußstapfen, schwieriges Gelände. Da war der studierte Kaufmann Engelmann bereits seit 2007 als Finanzvorstand im Haus und wusste schon, dass sich über Autodächer eine Menge sagen lässt.

Das Leben als Autozulieferer-Chef ist allerdings ein ständiger Spagat. In diesem Fall ein Spagat zwischen dem bayerischen Stockdorf und dem Rest der Welt. Hier der Stammsitz der Firma mit Entwicklungszentrum für Schiebe- und Panoramadächer, da der Weltmarkt. Erst vor Kurzem hat Webasto vom US-Konkurrenten Inteva das Werk für Dachsysteme im tschechischen Liberec übernommen - gebaut werden hier Panoramadächer für Daimler. Nicht zufällig sagt Engelmann daher solche Sätze: "In China und Osteuropa investieren heißt nicht, nicht in Deutschland zu investieren."

Drei- bis viermal im Jahr fährt Engelmann nach China. Das bringt es so mit sich, wenn man zehn Werke in einem Land hat, das für rund ein Viertel des Jahresumsatzes von knapp 2,5 Milliarden Euro steht. China, das ist für den Autozulieferer der größte Einzelmarkt, denn jahrelang kannten die deutschen Autokonzerne in China nur eine Bewegung: nach oben, und zwar zweistellig. Und Zulieferer wie Webasto zogen an der Seite der großen Autokonzerne mit ins gelobte Land.

Doch die Zeiten, in denen man in China den "zweiten Heimatmarkt" sah, gehen zu Ende. Wachstum: nur noch einstellig. Das Klima: rauer. Selbst die Kostenvorteile schmelzen dahin, denn auch im Boommarkt steigen die Lohnkosten. China, das wissen die Verkäufer von Oberklasse-Limousinen aus München, Ingolstadt und Stuttgart, ist kein Selbstläufer mehr.

"Wir spüren eine Abkühlung, aber das ist eigentlich Klagen auf hohem Niveau", sagt Engelmann. Zehn Prozent seines Geschäfts in China macht er mit lokalen Autoherstellern wie Great Wall oder Geely. Und diese Kunden werden stärker - auch auf Kosten ausländischer Konzerne. Webasto will in den nächsten Jahren mehr Geschäft mit einheimischen Autobauern machen - sicher ist sicher.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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