Nahaufnahme:Der Bienenschützer

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Ein französischer Ex-Manager bietet den gefährdeten Insekten Zuflucht mit seinem Projekt in den USA. "Es hat mir einfach keine Freude bereitet, in meinem Büro zu sitzen", sagt er.

Von Kathrin Werner

Guillaume Gauthereau war nicht glücklich. Dabei lief alles nach Plan für ihn. Er lebte in New York, hatte eine tolle Karriere, verdiente viel Geld. Seinen Posten als Amerika-Chef des französischen Luxusgüterkonzerns Lalique hatte er aufgegeben, als er gerade einmal Anfang dreißig war, und sein eigenes Unternehmen gegründet: Totsy verkaufte Babyartikel im Internet, wuchs rasant, hatte 150 Mitarbeiter. Die Unternehmensberatung E & Y nominierte Gauthereau für den begehrten Gründerpreis "Entrepreneur of the Year". Eigentlich hätte er zufrieden sein müssen. "Aber es hat mir einfach keine Freude bereitet, in meinem Büro zu sitzen", sagt er.

Also hängte er alles an den Nagel. "Du bist doch verrückt", sagten Freunde. Aber Gauthereau hatte genug von Einzelhandel und Luxusgütern, er wollte etwas tun, das die Welt verändert. Nur was? Er reiste nach Asien, half im Hospiz von Mutter Teresa in Kalkutta aus, unterrichtete Kinder in Nepal, rettete Schildkröten in Sri Lanka und suchte nach einer Aufgabe. Die Idee kam dann auf einer Wanderung im Himalaja. Am Wegesrand summte und brummte es, Bienen schwirrten von Blume zu Blume. Gauthereau dachte an das Bienensterben und entschied: Ich werde Bienenschützer.

"Es gibt Zoos und botanische Gärten", sagt der 44-Jährige. "Aber für Bienen gibt es nichts. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem Bestäuber-Insekten willkommen sind." Gautereau, promovierter Tiermediziner, wusste von den Problemen der Bienen. "Sie sind schwach, es geht ihnen nicht gut", sagt er. Seit einigen Jahren sterben immer mehr Bienenvölker in den Wintermonaten, und niemand weiß, woran genau das liegt. Imker, die ihre Bienenstöcke prüfen, finden sie leer vor, die Insekten verschwinden einfach. Schuld daran ist wahrscheinlich eine Kombination verschiedener Umwelteinflüsse, sagen Wissenschaftler: Pestizide, die die Tiere über ihre Nahrung zu sich nehmen und die sie schwächen. Auch Mangelernährung ist ein Problem. Gerade in den USA mit den meilenweiten Monokulturen bekommen die Tiere oft nicht genug Abwechslung in ihrer Diät. Ohne Bienen und ihre Bestäuberkollegen wie die Monarchfalter müsste die Menschheit auf gut ein Drittel der Nahrung verzichten. Und die Bauern der USA verlören 17 Milliarden Dollar pro Jahr an Umsatz.

"Ich wollte etwas dagegen tun", sagte Gauthereau. Zurück in den USA machte sich der Franzose daran, seinen Plan umzusetzen. Er fand ein Grundstück mit Wald und Wildblumen in den Catskills-Bergen zwei Stunden von New York entfernt, traf sich mit Wissenschaftlern und suchte Geldgeber. Seit 2014 gibt es nun das New York Bee Sanctuary, eine Zufluchtsstätte für Bienen. "Hier schlüpfen bald 20 bis 30 Baby-Mauerbienen", sagt Gauthereau und zeigt auf eine Art Vogelhaus unter dem Dach. Er forscht daran, heimische Bienenarten wieder neu anzusiedeln. Und er hat ein Netzwerk gestartet, mit dem er Unternehmen, Stadtverwaltungen, Schulen und andere Gartenbesitzer dazu anhalten will, den Rasen im Sommer nicht zu kurz zu mähen und Blumen nicht zu sehr zu spritzen, damit die Bienen etwas zu essen haben. Gauthereau hat schon Tausende seiner "Bee Safe"-Zertifikate vergeben.

Der Ex-Manager lebt hier in der Stille. Mal kommen Besucher vorbei, um über Bienen zu lernen, vor allem Schulklassen. Aber meist hört er nur Summen und Brummen - wie damals in Nepal. Gerade ist Buchweizenhonig fertig, Gauthereau kratzt die braungoldene Masse mit einem Löffel hervor. "Eine Biene schafft in ihrem Leben gerade einmal ein Achtel eines Teelöffels. Unglaublich, oder?" Er lässt den Blick schweifen über die Wildblumen und das ungemähte Gras. "Es ist so friedlich hier", sagt er. Sein Bürojob ist in weiter Ferne.

© SZ vom 06.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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