Nahaufnahme:Das Leben, eine Seifenoper

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"Es gibt immer ein Rückspiel. Und ich will viel Publikum dafür haben." Bernard Tapie (Foto: AFP)

Die Biografie von Bernard Tapie ist eine Geschichte von Aufstieg und Fall. Nun muss er 404 Millionen Euro zurückzahlen.

Von Leo Klimm

Vielleicht sollte Bernard Tapie seine Lebensgeschichte in Hollywood zur Verfilmung anbieten. Es ist ja so eine unwahrscheinliche Geschichte von Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg, von Siegen und Skandalen, wie sie in US-Filmen gern erzählt werden. Tapie könnte sich sogar selbst spielen, immerhin hat er sich schon als Charakterdarsteller in französischen Streifen versucht. Dennoch könnte es sein, dass sein Stoff abgelehnt wird - weil die Story selbst für Hollywood zu dick aufgetragen ist. Denn es ist so, dass die Wirklichkeit bei Tapie jede Seifenoper übertrifft. Am Donnerstag hat er der Geschichte ein neues, spektakuläres Kapitel angefügt: Ein Pariser Gericht entschied, dass er 2008 zu Unrecht eine Entschädigung in Höhe von 404 Millionen erhalten hat. Jetzt muss er das Geld erstatten. Was den Business-Hasardeur aus Marseille womöglich einmal mehr zum Pleitier macht.

Seine Freunde nennen ihn einen "Ferrari ohne Bremsen". Seine Vita macht klar, warum: Tapie, heute 72 Jahre, stieg vom Arbeitersohn zum erfolgreichen Firmenhändler und zum Eigentümer von Adidas auf. Er betätigte sich auch als Schnulzensänger und als Pilot in der Rennserie Formel 3 - wo er nach einem Unfall tagelang im Koma lag. Er war Präsident von Olympique Marseille (OM), als der Fußballclub die Champions League gewann. Er war sogar Politiker, ausgerechnet bei den Sozialisten, und brachte es unter Präsident François Mitterrand sogar zum Minister. Doch 1994 kam der Absturz: Tapie war plötzlich nicht mehr Minister, sondern pleite. Seine Möbel wurden vor laufenden Kameras gepfändet. 1996 musste er sogar wegen der Bestechung von Fußballspielern mehrere Monate hinter Gitter.

In den vergangenen Jahren dann hatte Tapie keinen Grund zur Klage. Er war wieder ein leidlich erfolgreicher Unternehmer, Verleger eines Regionalblatts in Marseille und Besitzer stattlicher Anwesen an der Côte d'Azur und in Paris. Dank der exakt 404 623 082,54 Euro, die er jetzt zurückzahlen muss.

In dem Verfahren in Paris ging es um Adidas. Wieder einmal. "Adidas ist der Deal meines Lebens", hatte Tapie 1990 beim Kauf des deutschen Konzerns gesagt. Tatsächlich wurde das Geschäft zum Skandal seines Lebens. Tapie behauptet, er sei 1993 beim Weiterverkauf von Adidas für umgerechnet 320 Millionen Euro von Crédit Lyonnais um einen höheren Preis betrogen worden. Denn noch am selben Tag hatte die Bank einem anderen Unternehmer für fast das Doppelte eine Kaufoption auf Adidas eingeräumt. Wie die Richter nun entschieden, wurde Tapie aber nicht betrogen, er sei voll im Bilde gewesen. Deswegen sei auch die Entschädigung unrechtmäßig, die ihm ein privates Schiedsgericht 2008 zusprach. Das Geld stammt vom Staat, weil der für das inzwischen bankrotte Geldhaus einstehen muss.

Das Urteil sei "eine Verweigerung von Gerechtigkeit", empörte sich Tapies Anwalt am Donnerstag. Gut möglich, dass der Geschäftsmann selbst nun die Devise ausgibt, die er nach Niederlagen öfter formuliert hat: "Es gibt immer ein Rückspiel. Und ich will viel Publikum dafür haben." Tapie kann noch in Berufung gehen. Aufschiebende Wirkung soll das aber nicht haben. Und die Entscheidung könnte noch weiter reichende Folgen für ihn haben: Sie bessert nicht gerade seine Aussichten in noch laufenden Strafermittlungen. Die Justiz prüft, ob das Schiedsverfahren zu Adidas in Wahrheit nicht "bandenmäßiger Betrug" war.

Der Unternehmer, an den Crédit Lyonnais Adidas einst weiterreichte, hieß übrigens Robert Louis-Dreyfus. Der Mann, der deutsche Fußball-Obere einst mit Schwarzgeld versorgte. Filmreif.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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