Nahaufnahme:Damenwahl

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Whitney Wolfe will, dass Frauen in der Liebe den ersten Schritt machen. Mit ihrer App heizt sie jetzt Tinder ein.

Von Sophie Burfeind

Whitney Wolfe, 27, sitzt auf einem grauen Sofa in der Präsidentensuite eines Münchner Luxushotels, perfekt geschminkt, perfekte Locken. Wäre es nicht Mittag, würde man vermuten, sie sei auf dem Weg in eine Late-Night-Show. Aber Wolfe ist da, um über Frauen zu sprechen, deren Leben sie verändern will. Absolute Gleichberechtigung, absolute Selbstbestimmung, sie ist sicher, dass ihr das mit "Bumble" gelingt. Wer noch nie von Bumble gehört haben sollte: Es ist eine Dating-App.

Eine Dating-App, die so ähnlich funktioniert wie Tinder, mit einem Unterschied: Frauen machen den ersten Schritt. Nur sie dürfen den Männern schreiben, die ihnen gefallen, und dadurch, das ist Wolfes Vision, werden Frauen, die bislang vor allem die Gejagten waren, zu gleichberechtigten Jägerinnen auf dem Feld der Liebe.

Wolfe hat Bumble 2014 gegründet, in den USA gehört sie bereits zu den beliebtesten Dating-Apps; aber weil nur wenige der 12,5 Millionen Nutzer Europäer sind, will sie jetzt Europa erobern. Anfang des Jahres hat das Magazin Forbes Wolfe zu den einflussreichsten Unternehmern unter 30 erklärt. Und auch, wenn es sie nervt, dass Medien diesen Teil ihrer Geschichte immer erwähnen: Bekannt wurde sie erst mal wegen Tinder.

Wolfe wuchs in Salt Lake City auf, wie viele andere Frauen in Amerika in ziemlich konservativen Rollenverhältnissen: Der Mann ist der Starke, der alles in Ordnung bringt, die Frau ist ruhig und sieht gut aus. Ihr Vater arbeitet in der Immobilienbranche, ihre Mutter ist Hausfrau. Wolfe studiert an der Southern Methodist University in Dallas, mit 19 Jahren versucht sie sich zum ersten Mal als Unternehmerin: Sie gründet eine Non-Profit-Organisation, um die von der BP-Ölkrise verseuchten Gebiete mit dem Verkauf von Bambus-Taschen zu unterstützen.

Drei Jahre später lernt sie in einem Gründerzentrum Sean Rad, Chris Gulzcynski und Justin Mateen kennen, 2012 gründen sie die Dating-App Tinder. Wolfe hat eine kurze Beziehung mit Mateen, dann zeigt sie ihn wegen sexueller Belästigung an, was weltweit für Schlagzeilen sorgt. Sie verlässt das Unternehmen und gründet noch im selben Jahr eine eigene Dating-App.

"Viele Leute haben angenommen, dass diese Geschichte es einfacher für mich gemacht hat, aber das stimmt nicht", sagt Wolfe. Sie wolle sich rächen, hätten viele geschrieben, sie sagt: "Du bist immer die, über die man sich schon ein Urteil gebildet hat." Sie will mit Bumble erreichen, dass Frauen beim Dating und in Beziehungen anders behandelt werden. In der amerikanischen Kultur werde oft erwartet, dass Männer auf Frauen zugingen - und selbst Frauen, die in anderen Lebensbereichen selbstständig und erfolgreich seien, fügten sich dieser Dynamik und letztlich in eine passive Rolle.

Wenn Frauen also lernen, den ersten Schritt zu machen, und Männer auch mal die Gejagten sein dürfen, entsteht mehr Gleichberechtigung, glaubt Wolfe. Das aber ist nur ihr erster Schritt. Langfristig will sie Menschen in allen Bereichen des Lebens zusammenbringen - Freunde, Kollegen, wer neu ist in einer Stadt. "Wir wollen so etwas werden wie die Umkehrung von Facebook: Die Sammlung von Menschen, die du kennenlernen wirst."

Sie selbst hat ihre große Liebe nicht über Bumble, sondern beim Skifahren kennengelernt. Im vergangenen Sommer haben sie und Michael Herd, Erbe einer texanischen Öl-Firma, sich verlobt. Er machte ihr den Antrag, als sie auf seiner Ranch in Texas dem Sonnenuntergang entgegenritten. Und wie war es bei ihr? Hat sie den ersten Schritt gemacht? "Wir sind beide aufeinander zugegangen", antwortet Wolfe diplomatisch.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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