Nahaufnahme:"Cisco ist meine Familie"

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"Ich bin noch nie laut geworden in der Firma. Ich verfolge einen alten Stil, immer kontrolliert." John Chambers. (Foto: dpa)

John Chambers prägte fast 25 Jahre lang das Silicon Valley, seine Firma Cisco war einst die wertvollste der Welt. Jetzt tritt er als Firmenchef ab. Lernen kann man von ihm vieles.

Von Caspar Busse

Eigentlich passt John Chambers, 65, gar nicht in das schnelllebige Silicon Valley. Der Mann mit dem harten texanischen Akzent und dem lichten Haar tritt oft im Anzug auf, ist stets auf Seriosität bedacht, er ist erfahren und abgebrüht. Da wirkt er schon mal wie ein Fremdkörper zwischen den vielen jungen, hippen und erfolgreichen Valley-Unternehmern wie Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg von Facebook, Apple-Chef Tim Cook oder Uber- Erfinder Travis Kalanick.

Dabei war Chambers schon da, als viele dieser Kollegen noch zur Schule gingen. Bereits 1991 heuerte er bei der damals noch ziemlich kleinen Firma Cisco in San José bei Palo Alto an. Vier Jahre später war er Vorstandschef - und blieb 20 Jahre an der Spitze, so lang wie kein anderer im Silicon Valley. Ohne Cisco würde das Internet wohl nicht funktionieren, die Firma mit inzwischen mehr als 70 000 Mitarbeitern und 47 Milliarden Dollar Umsatz ist der weltweit größte Anbieter von Netzwerktechnik. Ein großer Teil des internationalen Internetverkehrs läuft heute über Cisco-Systeme. An diesem Montag übergibt Chambers die Führung an Chuck Robbins, der auch schon seit 17 Jahren dabei ist.

Es ist zweifellos das Ende einer Ära. Sein Vater war Gynäkologe, seine Mutter Psychiaterin, in der Schule kämpft Chambers noch mit Legasthenie. Nach dem Studium fängt er 1976 beim Computerkonzern IBM an, sein nächster Arbeitgeber, Wang Laboratories, geht pleite. Schließlich landet er bei Cisco. Chambers hat viel erlebt. Sein Höhepunkt: Im Jahr 2000 ist Cisco für einige Zeit das wertvollste Unternehmen der Welt, heute sind das längst Apple, Google und Microsoft. Doch das Unternehmen geht auch durch viele Krisen. "Zwei hatten wir erwartet, drei kamen völlig überraschend. Aber wir haben alle überwunden", sagte Chambers im vergangenen Jahr der Süddeutschen Zeitung. Immer wieder muss saniert und umgebaut werden, Mitarbeiter werden entlassen. Aber Chambers bleibt an der Spitze, und Cisco erholt sich. Geschadet hat dem Konzern zuletzt die Spionage-Affäre um die US-Geheimdienste, Chambers wird eine Kooperation unterstellt. Er wehrt sich mit einem offenen Brief an Präsident Barack Obama.

"Cisco ist meine Familie", sagt Chambers. "Wir kümmern uns, wenn ein Mitarbeiter oder ein Mitglied seiner Familie krank wird und Hilfe braucht, den besten Arzt zu finden." Er sei noch nie laut geworden in der Firma: "Ich verfolge einen alten Stil, immer kontrolliert." Er sei auch nicht so "tough", wie es immer heißt, sondern nehme Dinge mitunter sehr persönlich. In jedem Fall stelle er hohe Anforderungen - "auch wenn ich nicht perfekt bin, das sagen mir jedenfalls meine Frau und meine Kinder jeden Tag", sagt er. Chambers bleibt bei Cisco an Bord, als Chef des Verwaltungsrats. Er hat nun aber vielleicht etwas mehr Zeit für Familie und Hobbys - Tennis und Fischen.

In den vergangenen Monaten war Chambers noch mal weltweit auf Tour und warb für das Internet der Dinge, die Vernetzung aller Abläufe. Eine Studie zur Digitalisierung, die sein Unternehmen erstellen ließ, fand heraus, dass 40 Prozent der Marktführer in fünf Jahren Probleme haben werden. Von Deutschland, besonders von Berlin, ist er beeindruckt. "Das Land kann weltweit führend werden", glaubt er.

Von Chambers kann man viel über Wandel lernen. Vor vielen Jahren hatten die Cisco-Leute, damals noch unbekannt, bei Siemens angeklopft und eine Kooperation vorgeschlagen - zwischen deutscher, etablierter Telefontechnik und neuer Internettechnologie. Doch die Münchner lehnten ab und bereuen das bis heute. Siemens und viele andere europäische Firmen sind lange aus der Netzwerktechnik ausgestiegen. Cisco ist noch da.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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