Nahaufnahme:Bankenschreck

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"Ich bin unglaublich stolz auf all das, was wir beim Aufbau der Behörde zusammen erreicht haben." Martin Wheatley. (Foto: AFP)

Der britischen Regierung ist der Chef der Finanzaufsicht zu rüde. Sein Ende März auslaufender Vertrag soll nicht verlängert werden. Nun geht Marin Wheatley früher.

Von Björn Finke

Zum Abschied gibt es Lob vom Chef. Ein Lob, das zugleich auf den Grund für den Abgang hinweist: "Martin Wheatley hat einen brillanten Job erledigt", er habe die neue Finanzaufsicht FCA unter schwierigen Umständen aufgebaut, sagt der britische Schatzkanzler George Osborne. "Nach Abschluss dieser Aufbauphase glaubt die Regierung, dass nun eine andere Führung nötig" sei, um die Behörde weiterzuentwickeln. Wheatley steht dem nicht im Wege. Der 56-jährige Vorstandsvorsitzende der Financial Conduct Authority, der britischen Finanzaufsicht, kündigte jetzt an, im September aufzuhören. Wenn er an diesem Montag die Zentrale der FCA in Londons Bankenviertel Canary Wharf betritt, ist er nur noch ein Chef auf Abruf.

Sein Vertrag wäre bis März gelaufen. Doch als ihm der konservative Finanzminister Osborne mitteilte, das Beschäftigungsverhältnis nicht zu verlängern, entschied sich Wheatley für den vorzeitigen Abschied. Viele Manager in Europas wichtigstem Bankenzentrum dürften darüber erleichtert sein. Denn Wheatley hat sich schnell unbeliebt gemacht. Der oberste Kontrolleur der britischen Finanzbranche pflegte einen betont aggressiven Stil im Umgang mit den Geldhäusern. Er inszenierte sich schlagzeilenträchtig als Beschützer der Verbraucher. So sagte er, wenn Banken Kunden dubiose Produkte andrehen wollten, gelte für ihn das Motto "zuerst schießen und danach erst Fragen stellen". Zu den Konzernen wahrte der Sohn eines Buchhalters Distanz: Banker legten ihm das als Arroganz und Unzugänglichkeit aus.

In seiner Amtszeit verhängte die FCA hohe Strafen - etwa die Rekordsumme von 284,4 Millionen Pfund für Barclays wegen der Manipulation der Devisenmärkte - und verschärfte die Regeln für die Unternehmen. Wheatley, der in York Englisch und Philosophie studierte hatte, wechselte 2011 zur Vorgängerbehörde der FCA: mit der Aussicht, jene neue Kontrollinstanz nach ihrer Gründung als erster Chef zu führen. Die FCA fing dann 2013 mit der Arbeit an. Früher waren britische Bankenaufseher stolz auf ihre sogenannte light touch regulation, also darauf, die Konzerne nicht mit zu vielen Vorgaben zu belästigen. Doch nach der Finanzkrise wollte die Regierung die Kontrolle der Branche verschärfen - dafür sollten die neue Behörde FCA und ihr Leiter Wheatley stehen.

Der Engländer war zuvor Chef der Hongkonger Finanzaufsicht gewesen. Nach der Pleite der Investmentbank Lehman demonstrierten dort Bürger vor seinem Büro, die um ihre Ersparnisse fürchteten; sie verbrannten ein Bild von ihm. Diese Erfahrung habe ihm die Augen geöffnet, was alles schieflaufe in der Branche, sagt er.

Doch zuletzt drehte sich der Wind. In den vergangenen Jahren erließen Finanzbehörden weltweit härtere Regeln für Banken; die Unternehmen zahlten Milliardenstrafen. Der britische Schatzkanzler findet darum, dass die für London enorm wichtige Sparte nun lange genug Prügel eingesteckt hat. Bei einem festlichen Abendessen mit Top-Managern in der City sagte Osborne, die Banken seien nicht mehr "Teil des Problems", sondern "Teil der Lösung". Das Königreich müsse Heimat der "wettbewerbsfähigsten Finanzbranche der Welt" sein. Auch Wheatley nahm an dem Dinner im Juni teil. Spätestens da dürfte ihm geschwant haben, dass ihm der rüde Umgang mit den neuen Hoffnungsträgern seine Vertragsverlängerung kosten könnte.

Zum Abschied sagte Wheatley: "Ich bin unglaublich stolz auf all das, was wir beim Aufbau der Behörde zusammen erreicht haben." Der Vater von vier Kindern hat bald mehr Zeit für sein Hobby. Schon als er 2004 als Börsenmanager entlassen worden war, hatte er sich eine längere Auszeit gegönnt, um zu schreinern.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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