Nahaufnahme:Bad Boy mal kleinlaut

Lesezeit: 2 min

Ein Video zeigt, wie Uber-Chef Travis Kalanick mit einem seiner Fahrer aneinandergerät. Jetzt zweifelt der sonst so selbstbewusste Manager selbst an seiner Führungsqualität.

Von Vivien Timmler

Als Start-up-Gründer kam Travis Kalanick mit seinem Bad-Boy-Verhalten noch durch. Jetzt, als Chef eines mit knapp 70 Milliarden Dollar bewerteten Unternehmens mit 11 000 Mitarbeitern und Millionen selbstständigen Fahrern, kann er sich seine Ausrutscher nicht mehr erlauben. Seine Investoren erwarten Seriosität. Zwar hatte Kalanick nicht als Einziger die Idee, einen Fahrtvermittler auf den Markt zu bringen, über den sich die Kunden per App ein Auto bestellen können. Er hat die Idee aber als Erster groß gemacht - und steht jetzt unter ständiger Beobachtung. Wie schwer er sich damit tut, beweist ein Video, das seit Dienstag im Internet kursiert. Es zeigt Kalanick auf der Rückbank eines Uber-Fahrzeugs, zunächst im Gespräch mit zwei Begleiterinnen. Seine Firma habe ein hartes Jahr hinter sich, nicht wahr, fragt die eine. Kalanick gibt sich selbstbewusst, gar arrogant: "Ich sorge dafür, dass jedes Jahr ein hartes Jahr ist", sagt er.

Was Kalanick zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Sein Uber-Fahrer, Fawzi Kamel, der seit 2011 für den Taxi-Konkurrenten arbeitet, hat ebenfalls ein hartes Jahr hinter sich. Und er macht seinen Arbeitgeber dafür verantwortlich.

Als Kalanick aussteigen will, spricht der Fahrer ihn an. "Du erhöhst die Standards und drückst die Preise", wirft er seinem Chef vor. Der verteidigt sich, leugnet, die Preise gesenkt zu haben. Doch Kamel lässt sich nicht beirren. "Ich hab 97 000 Dollar wegen dir verloren. Wegen dir bin ich pleite", sagt er. Dann eskaliert die Situation. "Schwachsinn", entgegnet Kalanick, "einige Leute wollen einfach keine Verantwortung für ihren eigenen Mist übernehmen. Sie beschuldigen für alles, was in ihrem Leben schiefgeht, jemand anderen." Ohne eine Antwort abzuwarten, steigt Kalanick aus, knallt die Tür zu und geht.

Der Mitschnitt dieser Situation befeuert die Kritik an Kalanicks Führungsqualitäten und an der Unternehmenskultur bei Uber. Immer wieder wird das Unternehmen für seine rabiate Expansion kritisiert, die sich vor allem gegen etablierte Taxiunternehmen richtet. Kalanicks nicht gerade zimperliches Auftreten steuert seinen Teil bei. Die Konkurrenz bezeichnete er einmal öffentlich als "ein Arschloch namens Taxi".

Dass Kalanick bis vor Kurzem im Wirtschaftsrat von Donald Trump saß, kam bei vielen ebenfalls nicht gut an. Mehrere Zehntausend Kunden sollen die Uber-App deswegen von ihren Handys gelöscht haben. Kalanick gab den Posten schließlich auf, weil nach Trumps umstrittenen Einreisebeschränkungen der Druck zu groß wurde. Auch viele Fahrer der Uber-Autos sind Einwanderer. Erst in der vergangenen Woche folgte ein weiterer Schlag für das Image von Uber: Eine frühere Mitarbeiterin wirft dem Unternehmen eine "Kultur voller Sexismus" vor. In einem Blogeintrag schreibt sie, ihr Vorgesetzter habe ihr bereits am ersten Arbeitstag unmoralische Angebote gemacht. Als sie sich bei der Personalabteilung darüber beschwert habe, sei ihr lediglich angeboten worden, den Bereich zu wechseln. Die Begründung: An dem Manager könne es kaum liegen. Führungskräfte seien außerdem zu wertvoll, um einfach so entlassen zu werden.

Kalanick versprach, die Sexismus-Vorwürfe schnellstmöglich aufzuklären. Auch für das Wortgefecht mit dem Uber-Fahrer hat er sich bereits entschuldigt. Und doch wird Kalanicks rüdes Verhalten zunehmend zum Problem für das Unternehmen. Das scheint er nun einzusehen. "Mein Job als Chef ist es, euch zu führen", schreibt er in einer E-Mail an seine Mitarbeiter. Die jüngste Kritik sei ein starkes Zeichen, dass er sich "als Chef fundamental ändern und erwachsen werden" müsse. "Das ist das erste Mal, dass ich zugebe, dass ich Führungshilfe benötige. Und ich will sie mir holen."

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: