Nahaufnahme:Auf dem Weg nach Hause

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Martin Sorrell hat ein gewaltiges Werbe-Imperium aufgebaut. Doch nun muss er gehen. Sein Agentur-Reich könnte sich stark verändern. Das Leben seiner Frau auch.

Von Björn Finke

Cristiana Falcone Sorrell muss jetzt sehr tapfer sein. Die Italienerin ist mit der britischen Werbelegende Martin Sorrell verheiratet. Die Mittvierzigerin, Sorrells zweite Frau, sagte einmal, sollte ihr Gatte beim Job kürzertreten, werde sie jemanden dafür bezahlen, ihm weiter E-Mails zu schicken, damit er beschäftigt sei. "Ist er in meinem Haus und hat nichts zu tun", werde er jedes Detail des Haushalts managen wollen, prophezeite sie düster. Das könnte ihr nun blühen, denn Sorrell ist seit diesem Wochenende nicht mehr Chef des weltweit größten Werbekonzerns WPP. Der Londoner stand 32 Jahre lang an der Spitze des Unternehmens, er hat es aufgebaut und besitzt immer noch zwei Prozent der Aktien. Wegen des überraschenden Abgangs sank der Kurs der Papiere am Montag deutlich.

Zu WPP gehören Agenturen wie Scholz & Friends und Ogilvy & Mather; die Gruppe setzte im vorigen Jahr fast 18 Milliarden Euro um. In einem Schreiben an die Mitarbeiter begründet der 73-Jährige den Rücktritt mit Querelen, die für WPP "einfach zu viele unnötige" Belastungen gebracht hätten. Er spielt damit auf Medienberichte an. Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass der Aufsichtsrat Anwälte beauftragt hat, Vorwürfe gegen den Cambridge- und Harvard-Absolventen zu untersuchen. Angeblich soll Sorrell Geld veruntreut haben.

Der Brite streitet das ab. Sein Vermögen beträgt geschätzt mehr als eine halbe Milliarde Euro, seine hohen Gehälter erzürnen regelmäßig Aktionäre. Allein für 2017 kassierte er 55 Millionen Euro. Da erscheint die Vorstellung zumindest kurios, dass Sir Martin - er wurde 2000 zum Ritter geschlagen - in die Konzernkasse gegriffen haben soll, um sich illegal zu bereichern.

Der lange unbestrittene König der Agenturbranche musste schon vor den durchgestochenen Berichten um seinen Thron kämpfen. Die Geschäfte laufen schlechter als früher, der Aktienkurs sinkt seit Monaten. Wichtige Kunden wie Unilever kappen Werbebudgets, andere Firmen buchen direkt Anzeigen bei Internetkonzernen wie Facebook und verzichten auf die Dienste der Reklameprofis. 2017 sei "kein schönes Jahr für uns" gewesen, sagte Sorrell bei der Vorlage der Bilanzzahlen im März. Kritiker warfen die Frage auf, ob der Routinier noch der richtige Chef ist.

Trotzdem kommt sein Rücktritt nun unerwartet. "Ich werde weitermachen solange ich kann oder solange die Leute mich lassen. Irgendwann karren die Leute einen dann zum Abdecker", sagte er einmal. Jetzt hatte der Manager offenbar das Gefühl, dass die Leute - Aktionäre und Aufsichtsräte - ihn nicht mehr lassen wollen. Sein Abgang könnte auch das Ende des weltumspannenden Agenturreichs bedeuten, das er aufgebaut hat. Manche Analysten erwarten, dass seine Nachfolger die Gruppe zerlegen und Tochterfirmen verkaufen werden.

Sorrell stieg 1985 als Investor bei einem Hersteller von Einkaufskörben ein, Wire & Plastic Products. Der frühere Finanzchef der Agentur Saatchi & Saatchi übernahm bald die Führung des Betriebs und kaufte nacheinander Werbefirmen auf. Aus einer obskuren Industriebude schmiedete er ein Reklamekonglomerat: die erste große Agenturgruppe in einem Markt, den früher kleine Gesellschaften beherrscht hatten. Nicht alle Fusionen waren freundlich. Als WPP 1989 Ogilvy & Mather erwarb, beschimpfte der Gründer David Ogilvy Sorrell als "odious little shit", als verabscheuungswürdiges kleines Stück Exkrement.

Seinen Abschiedsbrief an die Angestellten beendete Sorrell mit den rätselhaften Worten "Zurück in die Zukunft". Sein Vertrag verbietet ihm nicht, nach der Trennung für eine andere Agentur zu arbeiten oder eine neue zu gründen. Vielleicht muss sich seine Gattin also doch keine Sorgen machen, dass ihr ein gelangweilter Rentner auf die Nerven geht.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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