Nahaufnahme:Air-France-Chef spielt Poker

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„Fällt das Ergebnis negativ aus, sehe ich nicht, wie ich mich halten könnte.“ Jean-Marc Janaillac. (Foto: Reuters)

Jean-Marc Janaillac macht seine Zukunft vom Votum der Mitarbeiter abhängig - und treibt sie in ein Dilemma.

Von Leo Klimm

Jean-Marc Janaillac hat eine unter Topmanagern ungewöhnliche Schwäche. Noch ungewöhnlicher ist, dass er sie öffentlich zugibt: Der Chef von Air France-KLM kann schlecht mit Druck umgehen. "Es war, als ob meine Fitnesstrainerin mir 50 Kilo auf die Schultern legt" - so beschreibt Janaillac, wie er seine Berufung an die Spitze der französisch-niederländischen Fluggesellschaft vor zwei Jahren empfand.

Jetzt überrascht dieser Mann, der bisher ein sanfter Sanierer war, indem er selbst maximalen Druck auf andere ausübt. Nämlich auf seine Mitarbeiter. Von diesem Donnerstag an, Janaillacs 65. Geburtstag, sollen die Beschäftigten des französischen Firmenteils Air France per elektronischer Abstimmung über ein Gehaltsangebot entscheiden. So will Janaillac einen Streit mit den Gewerkschaften gewinnen, der Air France an bisher elf Streiktagen schon 300 Millionen Euro gekostet hat. "Fällt das Ergebnis negativ aus, sehe ich nicht, wie ich mich halten könnte", sagt Janaillac. "Meine persönliche Zukunft ist nichts verglichen mit der riesigen Herausforderung, die Zukunft von Air France zu retten." Dramatische Worte. Zumal für einen, der sonst Konflikte scheut.

Janaillac stellt die Mitarbeiter vor die Wahl: Entweder sie folgen den Gewerkschaften, die für 2018 ein Lohnplus von 5,1 Prozent fordern; dann trudelt der Konzern in eine Führungskrise. Oder sie nehmen das Angebot des Unternehmenschefs an, das für das laufende Jahr nur zwei Prozent und bis 2021 weitere fünf Prozent vorsieht. In diesem Fall, so Janaillacs Kalkül, werden die Gewerkschaften nicht anders können, als sich dem Votum zu fügen, obwohl die Abstimmung rechtlich nicht bindend ist. Die Arbeitnehmerorganisationen werfen dem Konzernchef "Erpressung" vor.

Sieg oder Niederlage, Konflikt statt Kompromiss. Das ist in Frankreich das hergebrachte Muster, wenn es Streit in Unternehmen gibt. Die Methode kommt derzeit auch bei der Staatsbahn SNCF zum Einsatz. Anders als bei SNCF ist die Streikbeteiligung bei Air France aber mit acht Prozent niedrig - wenngleich sie unter den Bestverdienern, den Piloten, deutlich höher ist. In Janaillacs Mitarbeiter-Referendum geht es daher nicht nur um etwas robust ausgetragene Gehaltsverhandlungen. Es ist auch der Versuch, die Macht der Spartengewerkschaften im Konzern zu brechen.

Dabei war Janaillac von seinem Jugendfreund, dem damaligen Staatspräsidenten François Hollande, 2016 zu Air France-KLM geholt worden, weil er gerade kein Haudrauf war; der Staat hat als Aktionär noch großes Gewicht im Konzern. Harmoniemensch Jannaillac hatte als Chef des Bus- und Bahnbetreibers Transdev einen scharfen Konflikt befriedet und das Unternehmen profitabel gemacht. Das sollte er bei Air France-KLM wiederholen, wo es zuvor hässliche Bilder von Handgreiflichkeiten und Managern in zerrissenen Hemden gegeben hatte. Und, siehe da, Janaillacs Sanierungsplan "Trust Together" hatte schnell Erfolg. 2017 erzielte der Flugkonzern mit 1,5 Milliarden Euro sogar das beste Ergebnis seiner Geschichte. Auch dank der Lohnzurückhaltung der Beschäftigten.

Prompt fordern die Gewerkschaften jetzt kräftige Gehaltserhöhungen. Janaillac lehnt sie mit dem Verweis ab, die Airline sei längst nicht profitabel genug, um gegen die Konkurrenz der Billigflieger zu bestehen. Die niedrige Streikbeteiligung des Air-France-Personals wertet er als Zeichen, dass die Mitarbeiter dieses Argument teilen. Ob er richtigliegt, erweist sich am Abend des 4. Mai: Dann wird das Ergebnis des Referendums erwartet. Eine ganz andere Frage ist, ob die Abstimmung auch den Konflikt löst. Einige Gewerkschaften kündigen schon an, dass sie sich Janaillacs Druck nicht beugen werden - egal, wie die Sache ausgeht.

© SZ vom 26.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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