Nahaufnahme:Adrenalin-Stoß

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Pharmachefin Bresch hat Ärger mit Hillary Clinton - wegen der ständigen Preiserhöhungen für den Adrenalin-Stift Epipen, der bei allergischen Reaktionen Leben retten kann.

Von Elisabeth Dostert

Lange sah es so aus, als könne Heather Bresch, 47, Vorstandschefin des Pharma-Konzerns Mylan, auch diesen Druck aushalten. So wie sie bislang allem standhielt. Die Kritik am immer höheren Preis für den Adrenalin-Stift Epipen hat sich über Jahre aufgeschaukelt. 600 Dollar kosten zwei Schuss des Wirkstoffs in einem Kunststoff-Injektor, den sich Menschen nach massiven allergischen Reaktionen selbst in den Oberschenkel setzen können. Binnen eines Jahrzehnts hat sich der Preis für eine Packung mit zwei Dosen versechsfacht. Bresch ist die Frau, die die Preise macht.

Eine Alternative gibt es nicht. Der israelische Konzern Teva, zu dem auch das deutsche Unternehmen Ratiopharm gehört, war im Frühjahr mit einem Nachahmerpräparat bei der US-Gesundheitsbehörde FDA abgeblitzt. Niemand dürfte sich darüber mehr gefreut haben als Bresch. Sie hat den Markt für Adrenalin-Stifte nun weiter für sich allein. Das Produkt steuert immerhin rund zehn Prozent zu den Erlösen von Mylan bei. Und für Teva ist es die zweite Niederlage zum Wohle von Bresch. 2015 hatte der Konzern versucht, Mylan feindlich zu übernehmen. Bresch verhinderte das.

Kritik an der Preisgestaltung von Mylan gibt es seit langem. "Das ist kein Luxusprodukt", sagt eine Frau dem US-Nachrichtenportal Newsday. Ihre Tochter ist allergisch gegen Milchprodukte, Eier und Nüsse. Epipen entscheide über Leben und Tod. Er sei sehr besorgt über den Preisanstieg für ein Produkt, das seit mehr als drei Jahrzehnten auf dem Markt sei, äußerte am Dienstag Senator Mark Warner aus Virginia. Auch Warners Sohn leidet unter Allergien. Am Mittwoch erreichte der Druck einen Höhepunkt. Hillary Clinton, Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, nannte Mylan ein weiteres "ärgerliches Beispiel eines Konzerns, der die Verbraucher ausnimmt." Die Preissteigerungen seien "abscheulich". Die Worte der Kandidatin wirkten schnell. Zuerst brach der Aktienkurs von Mylan ein, dann reagierte Bresch.

In einer Pressemitteilung geriert sie sich, wie sie das schon häufiger getan hat, als Wohltäterin. "Wir werden unverzüglich Maßnahmen ergreifen, damit jeder, der Epipen braucht, den Stift auch bekommt." Die Schuld an den steigenden Kosten schreibt Bresch allerdings dem US-Gesundheitssystem zu. Ein heikles Thema. Nach wie vor sind viele Amerikaner nicht krankenversichert. Medikamente müssen sie selbst zahlen. Die Preise setzen die Konzerne nach Belieben fest - anders als etwa in Deutschland. Epipen ist verschreibungspflichtig und wird von Firmen wie Kohl-Pharma oder Eurim-Pharm über den schwedischen Konzern Meda importiert, den Mylan gerade übernommen hat. Der Apothekenverkaufspreis, Grundlage für die Abrechnung mit Krankenkassen, liegt bei gut 94 Euro. Einseitig können Firmen in Deutschland die Preise nicht anheben.

Bresch weiß sehr gut, wie Politik funktioniert. Sie ist die Tochter von Senator Joe Manchin, ehemaliger Gouverneur von West Virginia. Er hat die Karriere seiner Tochter kräftig unterstützt. Sie hat mit der Fürsprache des Vaters als einfache Angestellte bei Mylan angefangen und sich hochgeackert. Ihre Karriere konnte auch der Skandal um einen falschen akademischen Titel nicht aufhalten. Als 2007 Mylan die Generika-Sparte des deutschen Pharmakonzerns Merck für 6,7 Milliarden Dollar kaufte, schickte sie der damalige Chef Robert Coury zum Aufräumen. Im Sortiment steckten mehr als 400 Produkte, darunter auch der Adrenalin-Stift. Bresch entdeckte das Potenzial. 2012 wurde sie Vorstandschefin. Sie ist einer der bestbezahlten Manager in der Pharmaindustrie. Nach US-Medienberichten verdiente sie vergangenes Jahr 18 Millionen Dollar in bar und in Aktien. Ein Kursverfall tut ihr richtig weh.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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