Möglicher Prozess gegen früheren Drogerie-Unternehmer:Anton Schlecker - ein schlechter Unternehmer

Familienunternehmer rühmen gern, dass sie sich besonders um Gesellschaft und Mitarbeiter sorgten. Anton Schlecker tat dies nicht.

Kommentar von Marc Beise

Von Anton Schlecker gibt es neue Nachrichten, und bald werden es noch mehr werden: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage gegen den Ex-Drogerieunternehmer erhoben, es geht um mögliche Straftaten im Zusammenhang mit der Insolvenz seiner Ladenkette im Jahr 2012. Der Mann mahnt faire Behandlung an, man möge ihn doch bitte nicht in der Öffentlichkeit vorverurteilen.

Das ist ein berechtigtes Anliegen. Nicht jede Anklage führt zur Verurteilung, schon gar nicht in komplizierten Wirtschaftsverfahren, und in der Tat ist der konkrete Sachverhalt verschachtelt. Inwieweit Vermögenstransfers, Schenkungen und Eigentumsübertragungen in Millionenhöhe zulässig oder eben ein Bankrott im Angesicht der sich abzeichnenden Insolvenz waren, wird vor Gericht sorgfältig geprüft werden müssen. Eines aber kann man heute schon sagen, ganz ohne Vorverurteilung: Der Familienunternehmer Schlecker war keine Zierde seines Standes.

Familienunternehmer singen mit Inbrunst das hohe Lied des ehrbaren Kaufmanns. Sie schaffen Werte für die Gesellschaft, sorgen sich um ihre Mitarbeiter und wirtschaften nachhaltig. Sie sind das Gegenteil von geldgierigen Managern, die wie Söldner von einem Spitzenjob zum nächsten ziehen: So sehen Familienunternehmer sich selbst, und überwiegend zu Recht. Sie haben Erfolg und sind das viel beschworene Rückgrat der deutschen Wirtschaft.

Dieser Prozess würde reinigende Wirkung haben

Anton Schlecker aber war anders. Selbst in seiner erfolgreichsten Zeit, als es kaum eine Ortschaft gab ohne blau-weiße Schlecker-Filiale, war der Glanz matt, den dieses aus dem Nichts geschaffene Milliarden-Imperium ausstrahlte. In den geradezu provokativ lieblos ausgestatteten Läden war das Elend mit Händen zu fassen.

Kam man mit den Verkäuferinnen ins Gespräch, war die Rede von unzumutbaren Arbeitsbedingungen, entwürdigenden Vorschriften und mangelnder Wertschätzung. Anderswo war das anders. Das ist ja das Schöne am Drogerie-Gewerbe, dass man angesichts eines nahezu identischen Sortiments die Unterschiede in der Firmenkultur an Äußerlichkeiten festmachen kann. Schlecker war billig für den Kunden, aber auch billig als Unternehmen - dafür ungeheuer lukrativ für die Eigentümerfamilie, die sich - verräterisch genug - vor Kunden und Mitarbeitern versteckte.

Selbst der Erfolg des Konzerns war nicht so, wie er sein sollte. Immer neue Läden trieben den Umsatz nach oben und kaschierten die Probleme - bis zu dem Augenblick, an dem das ganze Gebäude in sich zusammenbrechen musste. Da aber merkte man, dass es eben keineswegs solide gebaut war.

Ob da nun neben Bankrott auch Untreue und Insolvenzverschleppung dabei waren oder nicht - allein schon, dass dieses Geschäftsgebaren wohl im Laufe des Prozesses aufgearbeitet wird, hat eine reinigende Wirkung für die Marktwirtschaft. Es stärkt die guten Unternehmen - die, welche nicht nur Profit machen, sondern auch Werte schaffen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: