Milliardär Lebedew:"Das russische Modell funktioniert nicht"

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Banken: nur Geldwäscheanlagen. Justizreform: Kann man vergessen. Parlament: Gibt es nicht. Milliardär Lebedew rechnet im SZ-Interview mit seiner Heimat ab.

Sonja Zekri

Ein bescheidenes Anwesen in der Nähe des Außenministeriums in Moskau. Innen: Viel Platz, große Spiegel, schwere Polstermöbel. Alexander Lebedew trägt ein knappes Sakko und Lackschuhe. Sein Vermögen soll umgerechnet zwei Milliarden Euro betragen, aber den Zuschlag für die deutsche Mittelstandsbank IKB hat er trotzdem nicht bekommen. Lebedew ist nur noch selten in Moskau. Er drängt auf den deutschen Markt, auf den amerikanischen - Hauptsache, raus aus Russland.

Alexander Lebedew: "Ich bin unbedeutend, eine Fliege" (Foto: Foto: Bloomberg)

SZ: Herr Lebedew, Ihr Angebot für die IKB wurde abgelehnt. Zum Zuge kam der US-Investor Lone Star. Woran lag's?

Alexander Lebedew: Das war eine rein geschäftliche Angelegenheit, keine Diskriminierung. Die Verantwortlichen haben mir gesagt, wir seien zu spät gewesen. Die Ausschreibung war im Januar und dauerte nur drei Wochen. Damals ging es um 43 Prozent der IKB-Anteile. Erst später wurde auf 90 Prozent erhöht. Uns aber interessiert nur die Kontrollmehrheit. Es hätte sicher Möglichkeiten gegeben, uns noch zuzulassen. Ich bin nicht schlechter als Lone Star. Die kommen aus Texas, stehen US-Präsident George W. Bush nah und fallen überall ein, wo es kriselt: Südkorea, Deutschland, Japan. Sie kaufen Unternehmen, bauen Personal, Kunden, Besitz ab und verkaufen teuer weiter.

SZ: Nun ziehen Sie gegen Deutschland vor Gericht?

Lebedew: Wahrscheinlich nicht. Obwohl ich eine Menge Erfahrung habe. Der Rechtsstreit meiner Bank mit Crédit Agricole ging durch 18 Instanzen in Belgien, Frankreich, Amerika, er dauerte Jahre. Aber so etwas bringt nicht viel. Sollte sich allerdings das Gerücht bewahrheiten, dass uns Merrill Lynch diffamiert hat, die IKB beraten haben, würden wir klagen.

SZ: Wird es eine Beschwerde bei der Europäischen Wettbewerbsbehörde geben?

Lebedew: Die EU-Kommission untersucht den Fall. Wenn die deutschen Steuergelder zur Stützung der IKB ordnungsgemäß ausgegeben wurden und die Vergabe nicht im Widerspruch zum EU-Wettbewerbsrecht steht, werden wir uns diesem Spruch beugen. Meine deutschen Anwälte haben mir jedenfalls gesagt, dass meine Akte auf dem Schreibtisch der Kommission liegt.

SZ: Sie interessieren sich für andere deutsche Banken. Welche?

Lebedew: Jedenfalls keine kleinen, eher Banken mit 20 oder 30 Milliarden Kapital. Für die IKB hätten wir bis zu einer halben Milliarde Euro geboten.

SZ: Was ist so attraktiv an deutschen Banken?

Lebedew: Deutschland hat die am höchsten entwickelte Wirtschaft. Es gibt viele mittelständische Unternehmen, die Sparquote ist enorm. Russland und Deutschland bilden zusammen einen Markt von 210 Millionen Menschen. Die IKB war für uns so interessant, weil sie 12 000 Kunden hatte, darunter viele technisch hochentwickelte Unternehmen, die schon auf den russischen Markt exportieren. Wir haben ausgerechnet, dass wir mit der IKB nach Abzug aller Verluste durch die amerikanische Finanzkrise 40 bis 60 Millionen Euro Gewinn hätten machen können. Das wäre für meine National Reserve Bank ein Riesenschritt. Wir sind ein transparentes Unternehmen, aber unterkapitalisiert. Die Menschen in Russland sind das Sparen nicht gewohnt.

SZ: Ihr Deal mit dem deutschen Tourismusunternehmen Öger-Tours schleppt sich ebenfalls dahin.

Lebedew: Im Moment liegen unsere Papiere beim Notar. Ich hoffe, dass bis Ende Oktober alles abgeschlossen ist. Ich suche Synergien und will Ögers Erfahrungen in der Türkei und Ägypten für den russischen und ukrainischen Markt nutzen.

SZ: Deutschland - ein Traumziel russischer Unternehmer?

Lebedew: Jedenfalls ist niemand gegen uns. Ich habe einen Riesenvertrag mit Airbus abgeschlossen und 20 Maschinen für unsere Airline Blue Wings in Düsseldorf bestellt. Damit sichern wir Tausende Arbeitsplätze. Ob ich am Ende Geld verdiene, liegt an mir.

Auf der nächsten Seite: Wie man zwischen gutem und schlechtem russischen Geld unterscheiden soll

SZ: Das deutsche Außenhandelsgesetz soll strategische Branchen vor ausländischen Staatsfonds schützen, auch vor dem russischen. Sie haben Verständnis für solche Bedenken geäußert.

Lebedew: Natürlich, ich hätte selber welche. Wenn die russische Staatsholding Rostechnologii und der Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow eine Airline in Deutschland gründen würden, so wie die pompös angekündigte und inzwischen marode Airunion in Russland, da hätte ich als Deutscher auch Vorbehalte. Denen geht es nur um Profite, um Bürokratie, nicht um freies Unternehmertum. Man nennt es Korruption.

SZ: Wie sollen deutsche Verbraucher und Politiker zwischen gutem russischen Geld und schlechtem russischen Geld unterscheiden?

Lebedew: Sehen Sie sich unsere Bilanzen und Prüfungsberichte an. Ich bin unabhängig, zwischen mir und dem Staat liegt eine chinesische Mauer. Unternehmer aus der Rohstoff-Branche sind gefährdeter, aber meine Gesundheit ist gut . . .

SZ: Sie spielen auf Igor Sjusin an, Hauptaktionär des Bergbau-Konzerns Mechel, dem der russische Ministerpräsident Wladimir Putin Steuerhinterziehung vorgeworfen hat und ihm drohte, er werde einen "Arzt vorbeischicken, der alle Probleme bereinigt" - woraufhin die Aktien fast 40 Prozent verlor . . .

Lebedew: Ja, inzwischen hält sich unser Ministerpräsident sogar für einen Mediziner. Ich würde mir von ihm jedenfalls nicht die Mandeln rausnehmen lassen. Aber ich bin zu unbedeutend, eine Fliege. Für einen wie mich greift man nicht mal zur Fliegenklatsche.

SZ: Russischen Unternehmern droht manchmal Schlimmeres.

Lebedew: Ich bin ja schon genug bestraft, weil der Staat mein Geschäft ignoriert. Ein Beispiel: Ich bin der größte Kartoffelproduzent des Landes. Vor kurzem habe ich 10 000 Hektar Land gekauft, bislang aber erst einen Bruchteil registrieren können. Das Land liegt brach, ich verliere Geld. Zweitens: Ich habe zwölf Tupolew 204 bestellt, aber das Unternehmen hat nur sechs geliefert. Auf Importen aber liegen hohe Zölle. Und schließlich: Ich bin der größte Fertighaus-Hersteller in Russland. Ich könnte sofort 10 000 Wohnungen bauen. Aber das Land und die Infrastruktur sind so teuer, dass ich die Produktion gestoppt habe. Da sehen Sie, welches Verhältnis der Staat zu Fragen wie Wohnung, Landwirtschaft und Transport und zur Wirtschaft überhaupt hat.

SZ: Nämlich?

Lebedew: Ein dilettantisches. Die Politik dieses Staates hat nie Geschäfte angezogen, sondern immer nur fortgetrieben. Es ist kein Zufall, dass ich im Ausland neue Aufgaben suche, in Deutschland, Großbritannien, Botswana.

SZ: Wie groß ist der russische Rest Ihres Geschäftes?

Lebedew: Immer noch mehr als die Hälfte. Meine Nationalnyj Reservnyj Bank ist 1, 5 Milliarden Dollar wert, ich besitze noch 30 Prozent Aeroflot-Aktien.

SZ: Für Aeroflot war der vergangene Sonntag ein schwarzer Tag. Bei einem Flugzeugabsturz in Perm sind 88 Menschen gestorben.

Lebedew: Solche Katastrophen passieren. Die einzige Lehre daraus lautet, dass die Flotte modernisiert werden muss. Wer ist denn Schuld daran, dass Aeroflot-Nord so ein altes Flugzeuge in China gekauft hat? Der Staat!

SZ: Inzwischen steht auch Russlands WTO-Beitritt zur Debatte. Der Präsident spricht von höheren Rüstungsausgaben, dabei ist er als Modernisierer angetreten und hat der Korruption den Kampf angesagt.

Lebedew: Wer hat daran denn in Russland geglaubt? Die Skepsis gegenüber der WTO war immer da, aber das ist nicht das Problem. Das wirtschaftspolitische Modell funktioniert nicht. Unsere Regierungsbeamten können nicht mal eine Straße bauen. Die Banken sind Geldwäscheanlagen; wenn morgen von 500 Banken 400 eingehen würden, wäre das ein Gewinn. Eine Justizreform? Können Sie vergessen. Das Parlament? Gibt es nicht. Wahlen? Verschwunden. Es gab zwei wirtschaftspolitische Errungenschaften der Putin-Zeit: Das eine ist die Börse. Die löst sich gerade auf. Das andere der Staatsfonds, den Sergej Stortschak, der damalige Vize-Finanzminister, gegründet hat. Stortschak sitzt seit Monaten ohne juristische Grundlage im Gefängnis. Die größten russischen Unternehmen, auch die staatlichen, werden vom Westen mit Krediten in Milliardenhöhe finanziert. Davon werden demnächst viele fällig. Und da heißt es, Russland hänge von niemandem ab. Wer so redet, hat keine Ahnung, was auf dem Spiel steht.

© SZ vom 20.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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