Milchpreise: EU greift ein:Ein Fall für Brüssel

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Tristesse im Kuhstall: Die Milchbauern jammern über die schlechte Marktsituation - nun bekommen sie Unterstützung von der EU. Doch die Landwirte sind skeptisch.

20 Cent - das ist der Preis, den Landwirte bekommen, wenn sie einen Liter Milch an Molkereien verkaufen. Den Bauern ist das zu wenig. Sie schimpfen über Schleuderpreise, über den Preisdruck der Discounter und darüber, dass sie zu diesem Preis nicht mehr kostendeckend wirtschaften können.

Etwa 200 Bauern aus dem Allgäu haben aus Protest gegen die Zustände am Donnerstag ihre Milch auf Äckern als Dünger ausgebracht - und sie sind nicht allein: Quer durch die Republik gibt es dieser Tage derartige Aktionen.

Die EU hat die missliche Lage der Landwirte erkannt. Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel will die Milchbauern in den Preisverhandlungen mit der Industrie stärken. Vor dem Europäischen Parlament in Straßburg schlug Fischer Boel vor, einen neuen Rechtsrahmen für Verträge zwischen Erzeugern und Industrie zu schaffen. Ein Ausschuss von Experten der Kommission und der EU-Staaten soll sich damit befassen.

Sonderangaben angeregt

Auch in der Debatte um die Milchquote kommt Fischer Boel den Landwirten entgegen. Die Kommissarin regte Sonderabgaben für Betriebe an, die mehr Milch als erlaubt produzieren.

Diese Sonderabgabe soll auch dann fällig werden, wenn das Land insgesamt seine zugeteilte Höchstmenge einhält. Ein Teil der Gelder könnte beispielsweise für Vorruhestandsregelungen für Milchbauern verwendet werden. "Das hätte unmittelbare Auswirkungen auf den Markt", sagte die Kommissarin.

Darüber hinaus schlug Fischer Boel die Einführung von Terminkontrakten auf Milchprodukte an den Warenterminbörsen vor. Dies soll für mehr Transparenz bei den Milchpreisen sorgen.

Die Dänin kündigte zudem an, in den kommenden Wochen die Verdoppelung der De-Minimis-Klausel für staatliche Beihilfen für Landwirte auf 15.000 Euro unter Dach und Fach zu bringen. Außerdem solle es der EU-Kommission künftig möglich sein, bei schwerwiegenden Verwerfungen auf dem Milchmarkt ohne die vorherige Zustimmung der Mitgliedstaaten Produkte aufzukaufen und zwischenzulagern. "Jetzt mussten wir uns die Interventionskäufe erst vom Rat genehmigen lassen."

Skeptische Bauern

Für Bauernpräsident Gerd Sonnleitner gehen die Vorschläge jedoch nicht weit genug. "Ich vermisse schnell wirkende Signale in den Markt hinein", sagte der Bauern-Lobbyist. Die Pläne von Fischer Boel seien zu vage. "In dieser Situation muss alles Vorrang haben, was den Milcherzeugern in ihrer Not hilft und den Milchmarkt schnell und wirksam ankurbelt."

Die Vorschläge Fischer Boels, denen die EU-Agrarminister zustimmen müssen, zielen darauf ab, die Verhandlungsposition der Milchbauern zu stärken. So gibt es beispielsweise in Deutschland mehr als 100.000 Milchbauern, die ihre Ware an 100 Molkereien liefern. Diese wiederum sehen sich in den Preisverhandlungen der Verhandlungsmacht von fünf Einzelhandelskonzernen wie Aldi oder Lidl ausgesetzt, die mit niedrigen Milchpreisen werben.

Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einer Analyse der Geschäftsbeziehungen in der Milchbranche. Es geht darum, herauszufinden, weswegen die Erzeugerpreise massiv, die Preise im Supermarktregal aber nur minimal zurückgegangen sind. Fischer Boel kündigte an, die Ergebnisse würden bis Ende des Jahres vorliegen. "Wir müssen uns die gesamte Produktionskette ansehen, vom Erzeuger bis zum Verbraucher", sagte sie. Der britische konservative Europaabgeordnete James Nicholson bekräftigte: "Wir müssen die Macht der Supermärkte eindämmen."

© sueddeutsche.de/dpa/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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