Medikamente:Geheime Pillenpreise

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Gesundheitsminister Gröhe umsorgt mit einem neuen Gesetz die Pharmalobby. Was er plant und was das bedeutet: ein Überblick.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Die Pharmaindustrie wird insgeheim nicht klagen, die Apotheker können sich freuen, die Krankenkassen werden sich über das neue Gesetz ärgern: An diesem Mittwoch wird das Kabinett den Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Arzneimittelversorgung" beschließen. Es geht dabei, wie stets im Gesundheitswesen, um viel Geld. Schon jetzt geben die gesetzlichen Krankenkassen 35 Milliarden Euro jährlich für Arzneimittel aus. In Zukunft dürften es eher noch mehr werden, auch, weil Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem neuen Gesetz der Pharmaindustrie sehr entgegenkommt. So sehen es zumindest die Krankenkassen. Was Gröhe alles plant und was daran kritisiert wird - ein Überblick:

Was passiert bei den Preisen?

Schon seit Jahren sind die Preise für ältere Arzneimittel, die keinen anderen Preisvorgaben unterliegen, im Prinzip eingefroren. Dieses Preismoratorium wird bis Ende 2022 fortgeführt, mit einer Abweichung: Die Hersteller können von 2018 an die Preise in Höhe der jährlichen Teuerungsraten anheben. Die Kassen wird dies nach Angaben des Gesundheitsministeriums 150 bis 200 Millionen Euro im Jahr kosten.

Wie sieht es bei neuen Präparaten aus?

Bei neu eingeführten Medikamenten sind die Preise im ersten Jahr nicht reguliert. Bestimmte Produkte sind aber extrem teuer, sie können mehrere zehntausend Euro für die Behandlung eines Patienten kosten. Die Krankenkassen werfen der Pharmaindustrie vor, hier "Mondpreise" zu verlangen, damit ihr später, wenn Rabatte fällig sind, mehr vom Ursprungspreis übrig bleibt. Hier wird nun eine Umsatzschwelle eingeführt: Mehr als 250 Millionen Euro im ersten Jahr dürfen Hersteller mit einem Präparat künftig nicht mehr verdienen. Der AOK-Bundesverband hält diese Grenze für viel zu hoch, weil 2015 nur drei Medikamente davon betroffen wären. Er fordert eine Schwelle von 50 Millionen Euro.

Sind bestimmte Preise künftig geheim?

Bei Medikamenten, für die in Deutschland Rabatte gelten, waren diese sogenannten Erstattungspreise bislang öffentlich zugänglich. Die Pharmafirmen forderten jedoch, dass diese Beträge geheim gehalten werden, um im Ausland höhere Preise durchsetzen zu können, vor allem bei teuren, patentgeschützten Präparaten. Diesem Wunsch ist Gröhe nun nachgekommen: Er verzichtet künftig auf die "öffentliche Listung des Erstattungsbetrags". Näheres soll eine Verordnung regeln. Die AOK fürchtet dadurch Mehrkosten und argumentiert, vertrauliche Preise führten nicht zu höheren Rabatten.

Was ändert sich bei der Beschaffung von Medikamenten für Krebskranke?

Bestimmte Arzneien für Krebspatienten werden in Apotheken zubereitet. Die Ärzte bestimmen dabei, welche Apotheke den Auftrag bekommt. Die Versorgung sei dadurch "weitgehend intransparent und anfällig für Korruption", heißt es bei der Barmer GEK. Immer mehr Kassen sind daher dazu übergegangen, die Versorgung der Krebskranken mit diesen Mitteln öffentlich auszuschreiben. Apotheker und Krebsärzte warnten jedoch davor, die Versorgung werde zusammenbrechen, was die Kassen vehement bestreiten. Nun will Gröhe die Exklusivverträge zwischen Krankenkassen und Apothekern für diese Mittel verbieten. Er setzt auf neue Rabatte für diese Medikamente und will dadurch 250 Millionen Euro für die Kassen einsparen. Dass dies gelingt, hält die AOK aber für unwahrscheinlich.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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