Marihuana:Kiffen, das nächste große Ding

Lesezeit: 3 min

Seit der Freigabe von Marihuana in einigen US-Bundesstaaten blüht das Geschäft. (Foto: Justin Sullivan/Getty/AFP)

Das Silicon Valley entdeckt das umstrittene Marihuana als Geschäftsfeld der Zukunft. Besuch bei einem Wettbewerb.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Die Warnung klingt verlockend: "Kein Cannabis-Konsum im Twitter-Gebäude. Haltet die Augen offen für Details zur Party danach." Vor der Party kommt im San Francisco des Jahres 2015 natürlich das Geschäft. Und deshalb richtet sich die Einladung nicht an kiffende Twitter-Mitarbeiter, sondern an jene, die künftig an ihnen verdienen möchten. Der "Weed Club", ein Zusammenschluss von "Cannabis-Geschäftsleuten", veranstaltet einen Wettbewerb für Start-ups.

Seit der Cannabis-Legalisierung in mehreren Bundesstaaten sind die Erwartungen an das "Green Tech" groß: Sollten die Amerikaner in einigen Jahren landesweit Marihuana rauchen dürfen, könnte ein beachtlicher Absatzmarkt entstehen. Gut 70 Menschen drängen sich deshalb im Co-Working-Space einige Stockwerke unter den Twitter-Büros, vom örtlichen Schokoladen-Hersteller über seriöse und weniger seriöse Investoren bis hin zur üblichen Start-up-Meute. An den Ständen der Jungfirmen dampft es trotz Rauchverbots heftig, für heiße Luft sorgen die Gründer. "Wir wollen in den Luxus-Markt einsteigen", erzählt Alex Garcia, Chef von Emerald Vapes, das Marihuana-Liquids für E-Zigaretten herstellen möchte. Natürlich sei sein Produkt biologisch und qualitativ hochwertig, versichert Garcia, und als Beweis zieht er eine Tabelle hervor, die den THC-Gehalt der gängigen Liquids auflistet. Einsam an der Spitze liegt mit 73 Prozent THC-Gehalt natürlich Emerald Vapes. Der beste Koch erobert nicht nur in ""Breaking Bad" den Markt, so die Botschaft.

"Wir wollen Green-Tech und die Welt der Wearables zusammenbringen."

Ty Williams hingegen spricht Laien an, auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe würde seine Ausführungen verstehen: Der Dreadlock-Träger mit Cordjacke erklärt zunächst einmal, was eine Wasserpfeife ist ("auch als Bong bekannt"), dann sein zeigt er sein Produkt, einen elektronischen Zerstäuber-Aufsatz. Seine Firma Vapexhale, die auf ihrer Homepage einen "Vaporgasmus" verspricht, hat den Zerstäuber schon in ausgewählte Läden gebracht, nun soll die Killer-App folgen: "Wir arbeiten an einer Anwendung für das Internet der Dinge, dann kannst du unser Gerät mit dem Smartphone steuern", verrät Williams stolz. "Wir wollen Green Tech und die Welt der Wearables zusammenbringen."

Zwei Stände weiter herrscht leichtes Misstrauen: Die Organisatoren haben ausgerechnet Hello MD und Presto Doctor nur wenige Meter entfernt voneinander platziert. Beide bieten eine Software an, die Cannabis-Konsumenten den in Kalifornien notwendigen Arzttermin zur Verschreibung des medizinischen Marihuanas so bequem wie möglich machen soll. Genauer gesagt können die Therapiebedürftigen auf dem Sofa bleiben und ihr Evaluierungsgespräch per Webcam führen. Optisch gewinnt an diesem Abend Presto Doctor, einer der Gründer hat einen Arztkittel angezogen, um Glaubwürdigkeit zu demonstrieren. Dass beiden Firmen eine kurze Lebenszeit droht, weil im November 2016 Kaliforniens Bürger wohl die komplette Cannabis-Freigabe verabschieden werden und Arzt-Gespräche dann unnötig sind - geschenkt.

Inzwischen hat Gastgeber Evan Horowitz, Gründer des Weed Clubs, die Bühne betreten. "Gute Nachrichten", verkündet er, "alle Firmen hier können von Risikokapitalgebern finanziert werden." Es ist der Beginn einer Ansprache, in der sich die Bekenntnisse eines Cannabis-Liebhabers mit einer milden Version des Tech-Größenwahns verbinden. "Wir bauen eine Branche ganz von unten auf", frohlockt Horowitz. Weitere Höhepunkte: "Wir sind hier, um Big Pharma umzukrempeln." Und: "Wir veranstalten jeden Dienstag einen 'Kiffe mit einem Investor'. Ihr müsst dort nicht pitchen, sondern könnt einfach abhängen."

Der bekannteste Cannabis-Fan unter den Risikokapital-Gebern, Peter Thiel, ist nicht vor Ort. Thiels Einstieg in den ersten institutionellen Marihuana-Großinvestor hat der Branche eine gewisse Glaubwürdigkeit verliehen, immerhin hat er bei Firmen wie Paypal, Facebook, Oculus oder Airbnb ein gutes Gespür bewiesen. Um diesen Abend zu genießen, bräuchte er allerdings Stehvermögen. In schummrigem Licht präsentieren die Gründer ihre Geschäftsideen der achtköpfigen Jury, die sich aus Investoren, Branchenberatern und anderen Cannabis-Gründern zusammensetzt. Nicht alles läuft professionell ab. Jury-Chef Max Shapiro muss immer wieder um Ruhe bitten: Zwar gibt es keine Rauchwaren, aber kostenlosen Alkohol, das hintere Drittel des Raumes hat sich schnell in eine lärmende Bar verwandelt.

"Toll, wie ihr euer Produkt aus der Perspektive einer kraftvollen Marke denkt", lobt die Jury die Gründerinnen von Synchronicity, einen Cannabis-Club für Frauen, der auch Tupperware-Partys für Marihuana-Freundinnen veranstaltet. Der Gründer von Mr. Botanical wiederum kam über einen Umweg auf seine Idee: Weil seine Musik-Suchmaschine floppte, baute er sie um. Nun schlägt die Software für jede Marihuana-Sorte die passende Musik, Filme und Mahlzeiten vor. "Das ist ein Game-Changer", schwärmt Gastgeber Horowitz begeistert. Alex Garcia dagegen findet kaum Anklang, seine Heisenberg-Masche zieht ebenso wenig wie seine Prognose "Cannabis 3.0 kommt - und damit auch die großen Marken". Statt Emerald Vapes als Coca-Cola des Kiffens zu feiern, haut ihm die Jury Sätze wie "Ich sehe keine Differenzierung, wo ist der Bedarf?" um die Ohren. Auch Presto Doctor erntet eher Zurückhaltung - und das trotz des Arztkittels.

Dann steht endlich das Ergebnis fest. Mit Marty Higgins gewinnt ein Außenseiter: Der grau melierte Immobilien-Fachmann gibt zu, erst seit anderthalb Jahren ein "Cannabis-Connaisseur" zu sein. Seine Idee: Eine Marihuana-Ausgabestelle in einem Stadtteil von San Francisco, der bislang noch als unterversorgt gilt. Das Revolutionäre: Der Laden soll einen Raucher-Raum bekommen.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: