Manager als Testkäufer:Wenn der Chef einkaufen geht - und kläglich scheitert

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Eine Supermarktkette schickte ihre Manager mit knappem Budget zu Testeinkäufen. (Foto: Getty Images)
  • Die Manager der australischen Supermarktkette Coles wurden als Testkäufer in ihre eigenen Läden geschickt, um zu verstehen, wie ihre Kunden ticken.
  • Die Aktion endete peinlich: Die Manager waren offenbar nicht in der Lage, Budget, Zeit und Mengen zu koordinieren. Einer von ihnen fand, dass in einer vierköpfigen Familie zwei Liter Milch pro Woche ausreichen.

Von Katharina Kutsche

Single-Portionen, die mehr kosten als Familien-Packungen, teure Produkte in den oberen Regalen, damit man sich nach den billigen Sachen bücken muss - Supermärkte lassen sich eine Menge einfallen, um ihre Kunden so zum Kauf von Dingen zu animieren, bei denen für das Unternehmen am meisten herausspringt. In Australien hat nun der Chef der Supermarktkette Coles seine Manager dazu verdonnert, im eigenen Laden einzukaufen und so die Erfahrungen der Kunden nachzuvollziehen. Und die waren aufschlussreich.

Für 150 australische Dollar, etwa 105 Euro, sollten die Führungskräfte den Wocheneinkauf für eine vierköpfige Familie - Eltern, zwei Kinder - erledigen. So hoch ist laut australischem Statistikamt das durchschnittliche Budget, das Familien im Supermarkt ausgeben. Gleichzeitig hatten die Manager nur 45 Minuten Zeit für den Einkauf, entsprechend den Shopping-Erlebnissen von viel beschäftigten Müttern und Vätern. So schoben die Vorgesetzten ihre Einkaufswagen durch die eigene Filiale und mussten Zeit und Geld im Blick halten.

Zwei Liter Milch - für eine vierköpfige Familie

Einer der Direktoren beschwerte sich hinterher über "frustrierende" Mehrkauf-Angebote, etwa drei Packungen zum Preis von zweien, die "ihn zwangen, mehr zu kaufen, um einen guten Preis zu bekommen". Ein anderer Manager versuchte, gesunde und frische Produkte zu kaufen und verzweifelte am schnell schwindenden Budget. Ein dritter Testkäufer musste Produkte zurücklegen, um das Budget einzuhalten: "Das war tatsächlich sehr peinlich, und doch ist es für viele unserer Kunden Realität", erkannte der Vorgesetzte.

Noch peinlicher wurde es für die Testkäufer, nachdem sie die Kasse passiert hatten: Eine Kundin, Mutter von zwei Kindern, bewertete die Einkäufe und gab den Managern deutliches Feedback. Ein Einkäufer dachte etwa, er habe mit einer Packung Käse, die um 50 Prozent reduziert war, ein Schnäppchen gemacht. Die Kundin dagegen fragte, was sie mit den sechs Scheiben Käse anfangen solle: "Ich habe zwei Teenager, damit komme ich nicht weit." Ein anderer Testkäufer wurde ausgeschimpft, weil er nur zwei Liter Milch gekauft hatte - für einen Wocheneinkauf wohlgemerkt: "Meine Kids verdrücken zehn Liter pro Woche", so die entrüstete Mutter.

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Die Herausforderungen der Kunden verstehen lernen

Coles-Geschäftsführer John Durkan sagte gegenüber der australischen Nachrichten-Internetseite News.com, er habe sich gefragt, "ob wir wirklich die Herausforderungen verstehen, vor denen unsere Kunden stehen". Die Einkaufserfahrung habe solchen Eindruck auf die Coles-Manager gemacht, dass die Handelskette plane, auch Servicemitarbeiter und leitende Angestellte auf die Supermarkt-Tour zu schicken. "Es gibt nichts Motivierenderes, als einem realen Kunden in die Augen zu blicken, der einem sagt, dass man besser werden muss", erläuterte Durkan.

Dass Coles besser werden will, dürfte jedoch nicht nur aus reinem Wohlwollen gegenüber Kunden mit knapper Haushaltskasse geschehen. Mit etwa 800 Filialen ist die Supermarktkette mit Sitz in Melbourne eine der größten in Australien. Gemeinsam mit der konkurrierenden Lebensmittelkette Woolworths deckt Coles etwa 80 Prozent des gesamten australischen Markts ab.

Doch ein Wettbewerber bringt beide Unternehmen in Zugzwang: Aldi. Der deutsche Discounter ist seit 2001 auf dem Kontinent unterwegs und betreibt 443 Filialen. Erst im November hatte das Medienunternehmen Fairfax Media einen Testkauf in allen drei Supermärkten gemacht und dabei jeweils die gleichen 36 Markenartikel wie Coca-Cola und Mars-Schokoriegel in die Einkaufskörbe gelegt. Das Ergebnis: Die Kunden von Woolworths und Coles müssen im Durchschnitt 12 und 14 Prozent mehr bezahlen als die Kunden von Aldi.

Die Manager von Coles sollen sich künftig mindestens einmal im Jahr dem Wocheneinkauf stellen. Die Erfahrung war vor allem für diejenigen einschneidend, die es nicht gewöhnt sind, jeden Cent dreimal umdrehen zu müssen: "Ich fühlte mich unter Druck, als ich an der Kasse stand und sah, wie schnell die Gesamtsumme anstieg", sagte einer der Testkäufer.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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