Luxemburger Bank BCEE:Steuerrazzia: 120 Durchsuchungen diese Woche

Lesezeit: 3 min

Der Staat zeigt Zähne: Tausende deutsche Kunden der staatlichen Luxemburger Sparkasse stehen unter Verdacht.

Analyse von Hans Leyendecker und Klaus Ott, Köln

Luxemburg war schon immer ein beliebtes Schlupfloch für deutsche Steuerbetrüger. Mit Sprüchen wie "Reisen bildet - zum Beispiel Kapital" lockten deutsche Geldinstitute früh ihre Kundschaft ins Großherzogtum. Auch vom "Zweitwohnsitz für Ihr Geld" war die Rede. Eine plumpe Aufforderung zur Steuerhinterziehung.

Nimmermüde kümmern sich Steuerfahnder seit gut zwanzig Jahren um die Verstecke deutscher Steuerhinterzieher im Zwergstaat. Wenn möglicherweise eines Tages die Geschichte der ausgetrockneten Steueroasen aufgeschrieben wird, könnte - aus deutscher Perspektive zumindest - der Anfang in Luxemburg liegen.

Diesmal interessieren sich die Fahnder nicht für die vielen Luxemburg-Töchter deutscher Banken. Ihr Einsatz gilt Tausenden deutschen Kunden der Banque et Caisse d'Epargne de l'Etat (BCEE), einer Sparkasse, die dem Land Luxemburg gehört. Das Geldinstitut soll von den Steuerbetrügern genutzt worden sein, um Schwarzgeld vor dem Fiskus zu verstecken.

Die Staatsanwaltschaft Köln und die Steuerfahndung Wuppertal haben nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR am Montag mit einer Razzia begonnen, die sich bundesweit über die Woche hinziehen soll. Zwischen 150 und 200 Ermittler sind im Einsatz, sie wollen zunächst 120 Klienten der BCEE aus Nordrhein-Westfalen (NRW), Rheinland-Pfalz und dem Saarland heimsuchen.

Dies ist aber diesmal nur der Anfang. Die Behörden in NRW sind im Besitz der Kontounterlagen von knapp 54 300 deutschen Kunden der Luxemburger Sparkasse. Ein Rekord. Das ist der größte Datensatz, den Steuerfahnder in der Bundesrepublik jemals über eine in- oder eine ausländische Bank bekommen haben. Das Besondere ist: Er hat nichts gekostet.

Das Geldhaus wurde am Montag nicht durchsucht. Warum auch? Die Fahnder haben ja alles. Aber am Ende, so heißt es aus Behördenkreisen, werde man natürlich auch gegen die BCEE selbst vorgehen: wegen Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Üblich ist dann ein hohes Bußgeld, damit das Verfahren gegen Mitarbeiter der Sparkasse eingestellt wird.

Die Sparkasse weist jede Schuld von sich. Man wickele alle Geschäfte gesetzeskonform ab und verstoße weder gegen Luxemburger noch gegen internationale Vorschriften. Das sagen übrigens alle. Die Bank hat vor zehn Tagen, als das Datenleck in Umrissen sichtbar wurde, wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis sogar Anzeige gegen unbekannt erstattet. Auch das machen alle.

Der nordrhein-westfälische Finanzministers Norbert Walter-Borjans kennt solche Manöver: "Da versuchen Täter, sich zu Opfern zu stilisieren", sagte der SPD-Politiker Anfang des Jahres. Damals war aufgeflogen, dass die Commerzbank (Coba) und andere deutsche Geldinstitute über ihre Filialen in Luxemburg Tausenden deutscher Kunden geholfen hatten, Vermögen vor dem Fiskus zu verbergen. Die Coba, die Hypo-Vereinsbank und die HSH Nordbank wollen insgesamt rund 60 Millionen Euro Bußgeld zahlen, um die gegen sie laufenden Verfahren zu beenden. Über die Luxemburger Tochtergesellschaften von zwei weiteren deutschen Banken, darunter befindet sich auch eine Landesbank, haben die Ermittler noch belastendes Material. Nun ist aber die Sparkasse an der Reihe. Ein kurzes, schnelles Spiel soll es werden. Für die Auswertung des Materials ist ein Jahr veranschlagt. Das ist nicht viel.

NRW-Minister Walter-Borjans sagt zu dem neuen Fall, in diesem Metier ändere sich nur dann etwas, "wenn der Staat Zähne zeigt". Sonst würde sich das "systematische Ausplündern der Allgemeinheit durch Steueroasen mitten in Europa ungehemmt" fortsetzen, egal ob in der Schweiz, in Luxemburg, in Deutschland oder anderswo. Die seit 150 Jahren bestehende BCEE bietet sich ihren Klienten als Partner sowohl für die täglichen Bankgeschäfte wie auch für "besondere Projekte" an. Gilt das auch für das Verstecken von Schwarzgeld? Nicht alle der knapp 54 300 deutschen Kunden, deren Daten den NRW-Behörden vorliegen, stehen unter Verdacht. Etliche von ihnen wohnen im Grenzland und haben ganz normale Girokonten bei der Luxemburger Sparkasse. Zahlreiche BCEE-Klienten sollen aber illegal agiert haben.

Die Razzia in dieser Woche trifft die ersten der Kunden mit mehr als 300 000 Euro Geldanlage im Großherzogtum. In einigen Fällen ist es deutlich mehr. Die Marke von 300 000 Euro sollen rund tausend deutsche Klienten der Sparkasse übertreffen. 120 Durchsuchungen in der ersten Woche , das ist der übliche Schnitt, wenn die Wuppertaler Steuerfahnder loslegen. Erfahrungsgemäß reichen die meisten der betroffenen Bankkunden ganz fix Selbstanzeigen ein, wenn die Razzien beginnen. Das schützt meist nicht mehr vor Strafe, lässt aber auf Milde hoffen.

Für NRW lohnen sich die Razzien allemal. Seite 2010 hat das Land durch Steuernachzahlungen und Geldbußen vor allem von Schweizer Banken zwei Milliarden Euro eingenommen. NRW kauft gern CDs von Informanten. Im neuen Fall lief alles ein bisschen anders als sonst. Zwar wollte der Insider, der doch die Daten von über fünfzigtausend Kunden beschafft hatte, Kasse machen, aber er verstand nichts vom Geschäft.

Den einen Teil des Materials bot er rheinland-pfälzischen Ermittlern an, den anderen Teil französischen Fahndern. Keine der beiden Behörden wollte an die Sache herangehen. Die Wuppertaler Ermittler aber schlugen zu. Sie bekamen die eine Hälfte aus der Pfalz und die andere von den Franzosen. Der Informant ging diesmal leer aus. Wenn man alles hat, muss man nicht mehr kaufen. Ansonsten wäre das Veruntreuung von Staatsgeld.

NRW werde weiterhin, sagt der Düsseldorfer Finanzminister Walter-Borjahns, "auf Hinweise aus der Szene zugreifen, zur Not auch dann, wenn sie nicht kostenlos sind".

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: