Luftverkehr:Stau am Himmel

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"Keine dritte Startbahn": ein Demonstrant in Heathrow. (Foto: Peter Nicholls/Reuters)

Der Londoner Flughafen Heathrow will eine dritte Startbahn bauen. Die Regierung drückt sich aber vor der Entscheidung.

Von Björn Finke, London

Ein Flugzeug nach dem anderen ist am Himmel zu sehen. In einer langen Reihe, schnurgerade hintereinander. Sie steuern Heathrow an, Europas größten Flughafen im Südwesten Londons. Der ist nahezu komplett ausgelastet; ständig treffen Flieger ein, deren Landeanflug im oft recht grauen Himmel über der Hauptstadt zu bewundern ist. Das Management des Flughafens will daher dringend eine dritte Startbahn bauen. Und die britische Regierung wollte darüber bis Weihnachten entscheiden. Doch nun scheint Premierminister David Cameron den Beschluss bis zum Sommer kommenden Jahres aufschieben zu wollen - sehr zum Ärger der Wirtschaftsverbände.

Der konservative Politiker werde verkünden, dass mehr Zeit nötig sei, um die Folgen eines Ausbaus für die Luftqualität in London zu untersuchen, schreibt die Tageszeitung Times unter Berufung auf ungenannte Kabinettsmitglieder. Dabei wurden vermutlich wenig Infrastruktur-Projekte im Königreich bereits so ausführlich beleuchtet. Es sind aber auch wenige so umstritten.

Drei Jahre lang befasste sich eine Expertenkommission der Regierung mit der Frage, wie rund um London mehr Flugzeuge starten und landen können. Heathrow will eine dritte Piste errichten, Gatwick - der zweitgrößte Flughafen der Stadt - eine zweite. Nur eins der beiden Vorhaben wird die Regierung genehmigen. Die Fachleute legten im Sommer ihren Bericht vor und sprachen sich klar für Heathrow aus.

Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson fürchtet aber den zusätzlichen Fluglärm: "Die dritte Startbahn ist Augenwischerei und wird nie gebaut werden", verkündet er. Johnson tritt allerdings ab; im Mai wird sein Nachfolger gewählt. Der konservative Kandidat Zac Goldsmith ist ebenfalls strikt gegen den Ausbau von Heathrow, einem Flughafen, der anders als Gatwick direkt an der Millionenmetropole liegt. Sind Regierung und Parlament für das Projekt, könnte der Bürgermeister es jedoch nicht verhindern.

Eine Entscheidung für Heathrow würde die Chancen der Konservativen bei der wichtigen Wahl des Londoner Bürgermeisters schmälern. Außerdem droht Cameron dann eine Revolte von Abgeordneten und Ministern aus der Region London, die den Ausbau ablehnen. Mit einer Verschiebung ist das Problem zumindest für ein paar Monate wieder vom Tisch.

Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften müssen so etwas geahnt haben. In einem Brief an Cameron drängen sie ihn nun, endlich den Bau zu erlauben. Ein verstopfter Großflughafen sei schlecht für das Land und schade dem Wachstum, argumentieren sie. Das Schreiben scheint nicht sehr viel bewirkt zu haben.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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