Luftverkehr:Mit Sandelholz aus der Krise

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Kosmetik reicht nicht: Mitarbeiter montieren ein neues UAL-Schild. (Foto: Brian Kersey/AP)

Die US-Fluggesellschaft United Airlines möchte nach der Fusion mit Continental Airlines mehr für Passagiere und Mitarbeiter tun.

Von Jens Flottau, Chicago

Von nun an wird auch auf Details geachtet: Wer künftig eine Lounge von United Airlines (UAL) betritt oder sich an Bord mit einem feuchten Waschlappen das Gesicht abwischt, der soll stets das gleiche Geruchserlebnis haben, Sandelholz und Orangenschale. Sandelholz soll der dominante Geruch sein, die Orangenschale danach durchdringen. All das soll United-Produktchef Mark Krolick zufolge dazu führen, "dass die Leute gute Erinnerungen an United haben". Gute Erinnerungen an United? Für viele Vielflieger klingt dies fast schon wie ein Ding der Unmöglichkeit. Unter den drei großen amerikanischen Fluggesellschaften hat der Lufthansa-Partner den schlechtesten Ruf, was Produkt, Kundenzufriedenheit und Freundlichkeit betrifft. Die Online-Foren sind voller Anekdoten über Passagiererfahrungen der besonderen Art. Eine Countryband landete einen Internethit, in dem sie besang, wie United-Mitarbeiter die Gitarre des Leadsängers demolierten. Es gab zwei Fortsetzungen. In Statistiken zur Pünktlichkeit belegt United hintere Plätze und was die Zahl der verlorenen Gepäckstücke eher vordere. Und noch vor einigen Monaten machte die Airline mit großen Computerausfällen von sich reden, durch die Zehntausende Flüge ausfielen - Sandelholz hin oder her.

United hat sich nun aber ein gewaltiges Transformationsprojekt vorgenommen, will in Qualität investieren, um endlich den schlechten Ruf loszuwerden. Die Lounges sollen verbessert, die ziemlich oft ziemlich ruppigen Mitarbeiter auf Freundlichkeit gegenüber den Kunden eingeschworen werden. An Bord der Langstreckenflugzeuge werden neue Sitze in der Business Class installiert, die deutlich besser sein sollen als die alten. Und auch auf die Beschwerden der Vielflieger, der Kaffee an Bord sei nahezu ungenießbar, hat United jetzt reagiert: Es gibt künftig Kaffee von einer italienischen Edelmarke.

Die Voraussetzungen sind allerdings schwierig, denn die vergangenen Monate turbulent zu nennen, wäre untertrieben. Im September musste Unternehmenschef Jeff Smisek, der den Konzern seit der Fusion mit Continental Airlines leitete, zurücktreten. Ihm wurde ein möglicher Korruptionsfall rund um den ehemaligen Chef der Port Authority von New York zum Verhängnis. Smisek hatte angeblich einen defizitären Regionalflug aufgelegt, damit der Flughafenchef keine so lange Anreise zu seinem Ferienhaus hat, so lautete der Vorwurf. Er habe sich dafür Entgegenkommen bei der Verkehrsanbindung des Flughafens Newark erhofft. Der besagte Flug ist dann auch tatsächlich vier Tage nach dem Rücktritt des Port-Authority-Chefs eingestellt worden.

Auf Smisek folgte Oscar Munoz, der bei United im Aufsichtsrat saß, sich aber bis dahin vor allem im Eisenbahngeschäft auskannte. Munoz war kaum sechs Wochen im Amt, als er offenbar einen Herzinfarkt erlitt. Seit Ende Oktober fällt er krankheitsbedingt aus, er soll erst im ersten Quartal 2016 wieder zurückkommen und dann das fortsetzen, was er in seinen ersten sechs Wochen bei United begonnen hat, aufräumen. "Die Erfahrungen der Passagiere waren nicht immer so, wie sie sein sollten", hatte er eingestanden.

Doch die Lage ist komplex, und sie hat viel damit zu tun, wie das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern umgeht. Schon vor dem Zusammenschluss mit Continental war das Verhältnis zwischen United und der Belegschaft schlecht. Und es wurde mit der Fusion nicht besser. Im Gegenteil. Das Management war viel zu sehr damit beschäftigt, die technischen und organisatorischen Probleme der Integration in den Griff zu bekommen und vergaß dabei, die Besatzungen einzubinden. Smisek, ein Anwalt aus Texas und eher der Typ Technokrat, entwickelte kein Gespür dafür, dass er auch auf die eigenen Leute zugehen und sich zeigen muss. Er versteckte sich lieber im Büro. Fünf Jahre nach der Fusion gibt es immer noch keinen einheitlichen Tarifvertrag für die Flugbegleiter, die ehemaligen Continental- und United-Crews fliegen deswegen weiter getrennt. Mit den Piloten ist das Unternehmen endlich einen Schritt weitergekommen, doch müssen diese dem Papier noch in einer Urabstimmung zustimmen.

"Die Erfahrungen der Passagiere waren nicht immer so, wie sie sein sollten."

"Die Integration war schwieriger, als wir das ursprünglich erwartet haben", sagt Uniteds Vice-Chairman Jim Compton. "Wir waren darauf konzentriert, sie hinzubekommen und haben uns weniger um andere Dinge gekümmert". Doch nun liege das Schwierigste hinter dem Unternehmen. Und Munoz, der mehr oder weniger von außen hinzugekommen sei, habe manchem die Augen dafür geöffnet, was wirklich wichtig ist. Dessen größter Fokus war es, das Verhältnis zu den Mitarbeitern zu verbessern und die Tarifverträge fertig zu verhandeln. Sollten die Piloten dem Vertrag zustimmen, dann würde das dem Unternehmen neue Perspektiven eröffnen: United will etwa 100 Kurzstreckenflugzeuge anschaffen, der neue Vertrag würde dafür die Voraussetzungen schaffen.

Immerhin hat United einen großen Vorteil gegenüber früheren Zeiten: Wirtschaftlich geht es dem Unternehmen, wie nahezu der gesamten amerikanischen Luftverkehrsbranche, deutlich besser. Da auf den Inlandsstrecken nicht mehr acht große Fluggesellschaften, sondern nach Fusionen nur noch vier gegeneinander antreten und keine von ihnen derzeit stark wächst, ist der Markt aus Sicht der Unternehmen berechenbarer geworden. Die Preise steigen, die Kosten sinken wegen des billigen Öls. United hat deswegen im dritten Quartal einen Gewinn von 1,7 Milliarden Dollar gemacht, mehr als je zuvor. Ein Teil des Gewinnes soll nun reinvestiert werden in neue Flugzeuge und bessere Sitze. Und Sandelholzduft.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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