Luftverkehr:Der Überflieger schwächelt

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Noch immer eine Attraktion: der Airbus A380. Die Fluggesellschaft Emirates ist einer der größte Abnehmer des Großraumflugzeugs. (Foto: David Ramos/Getty)

Emirates, die Fluggesellschaft vom Golf, war lange der Angstgegner der etablierten Airlines. Doch jetzt hat auch sie Probleme - und nähert sich Lufthansa.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Emirates-Chef Tim Clark ist anderes gewohnt. Bislang wurde er bei den meisten seiner öffentlichen Auftritte gefragt, wie viele neue Flugzeuge er denn nun dieses Mal bei Boeing und Airbus einkaufen wolle und auf welchen neuen Strecken seine Fluggesellschaft die Konkurrenz demnächst das Fürchten lehren werde. Doch in diesem Jahr ist alles anders: Clark wird gefragt, ob er vielleicht doch nicht alle bestellten 17 Airbus A380 übernehmen wird, die im kommenden Jahr zur Auslieferung anstehen. Um die Antwort vorwegzunehmen: Emirates will die Liefertermine nicht verschieben. Doch zum ersten Mal nach der mehr als 30-jährigen Erfolgsgeschichte der Fluggesellschaft vom Arabischen Golf würden einem Gründe für einen Sparkurs einfallen. In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres ist der Netto-Gewinn von Emirates um 75 Prozent eingebrochen. Die Marge lag bei mickrigen zwei Prozent und damit deutlich unter dem Niveau der sonst für ihre hohen Kosten verschrienen Lufthansa. "Das letzte Jahr war sehr schwierig für uns", sagt Clark.

"Ich habe noch nie so niedrige Preise gesehen wie heute", sagt Tim Clark, Chef von Emirates

Es gibt nicht den einen Grund, warum Emirates derzeit schwer zu kämpfen hat, es kommen viele Faktoren zusammen: Der Verfall des Ölpreises hat zwar die betrieblichen Kosten sinken lassen, gleichzeitig aber ist der Nachfrage bei Geschäftsreisen stark zurückgegangen, weshalb die Airlines nun entsprechend geringe Flugpreise anbieten müssen: "Ich habe noch nie so niedrige Preise gesehen wie heute", sagt Clark. Die Abwertung zahlreicher afrikanischer Währungen, zuletzt des ägyptischen Pfund, hat Emirates gezwungen, die Flüge in eine ihrer wichtigsten Zielregionen auszudünnen. Der vergleichsweise starke US-Dollar hat das Emirates-Ergebnis um 300 Millionen Dollar belastet.

Ein Teil der Flotte bleibt am Boden - bis sich der Markt erholt

Auch all die anderen Faktoren, die den Tourismus im Jahr 2016 weltweit beeinträchtigt haben, all die Terroranschläge und politischen Verwerfungen, machen sich bei Emirates bemerkbar. "Das Problem ist: Es passiert alles gleichzeitig", sagt Clark. "Und niemand hat vor uns eine Flotte von 254 Großraumflugzeugen über den Globus fliegen lassen, nicht einmal Pan Am."

Vom Kurs abbringen lassen will sich die größte internationale Fluggesellschaft allerdings nicht. Schon im Dezember wird Emirates fünf weitere Airbus A380 übernehmen. Im kommenden Jahr nimmt die Airline mit 17 Maschinen erneut den Großteil der A380-Produktion ab, hinzu kommt im Durchschnitt eine Boeing 777 pro Monat. Gleichzeitig werden ältere Maschinen ausgemustert. Emirates hat allerdings das Wachstum zurückgefahren: Im kommenden Geschäftsjahr 2017/2018, das im April beginnt, soll die Kapazität nur um sieben bis acht Prozent erweitert werden, geplant waren ursprünglich zehn bis zwölf Prozent. Ein Teil der Flotte, bis zu acht Prozent oder rund 20 Flugzeuge, soll am Boden bleiben, bis sich der Markt wieder erholt. Dennoch: Die 22 zusätzlichen A380, die bis Ende 2017 ausgeliefert werden, müssen fliegen, sonst kosten sie Geld. Wohin genau, wollte Clark nicht verraten. Dass sich an der allgemeinen wirtschaftlichen Lage schnell etwas verbessert, glaubt er nicht. 2017 und 2018 werde es eine Stagnation geben, sagt er, erst danach könnte es besser werden. So bleibt es zwar bei den bisherigen Bestellungen, doch den nächsten Großauftrag für neue Langstreckenflugzeuge will Emirates hinauszögern. Airbus hofft darauf, dass die Airline aus Dubai das neue Modell A350 bestellt, Boeing will ihre 787 platzieren. Doch anders als in den vergangenen Jahren, als Emirates mit Rekordaufträgen glänzte, ist das derzeit kein Thema: "Wir wollen erst einmal weiter den Markt beobachten, um zu sehen, was weiter passiert." Auch so hat Emirates noch Flugzeuge im Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar bestellt. Doch auch wenn Emirates derzeit langsamer wächst als geplant, glaubt Clark nicht, dass der Druck für die etablierten europäischen Fluggesellschaften wie Lufthansa nachlässt. Er ist davon überzeugt, dass immer mehr Billig-Anbieter wie Norwegian oder Air Asia auf Langstrecken expandieren werden und dass die Lufthansas dieser Welt darauf werden reagieren müssen - mit eigenen Billigangeboten. Emirates sieht Clark gut gerüstet für diesen Wettbewerb, denn besonders wegen ihrer großen A380-Flotte könne Emirates eine hohe Zahl günstiger Tickets anbieten und dennoch profitabel bleiben.

Ob Emirates angesichts der schwierigen Lage nun doch eine Allianz mit der Lufthansa anstrebt? "Sag niemals nie", antwortet Clark. Bisher reicht es aber nur dazu, gelegentlich mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr zu frühstücken - ohne konkrete Ergebnisse.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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