Lufthansa:Piloten spielen auf Zeit

Im Streit mit ihrem Arbeitgeber haben die Kapitäne der Fluggesellschaft eine Pause eingelegt: Weitere Streiks wird es bis Ende der Woche nicht geben - Insider sagen sogar, dass die Ruhe sicher über Weihnachten hält. Und dafür gibt es Gründe.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die vergangenen Wochen waren selbst für die streikerprobten Lufthansa-Piloten nervenaufreibend. Sechs Streiktage, eine Demo und eine Gegendemo, dazwischen - erfolglose - Klagen von Lufthansa, um die Streiks in letzter Minute abzuwehren. Und all dies unterlegt mit den üblichen Schuldzuweisungen, wer denn nun wem nicht genügend entgegengekommen sei und wer Verantwortung für die Eskalation der Lage zwischen Lufthansa und der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) trage.

Eine Brücke bauen könnte Konzernchef Carsten Spohr

Es ist Zeit, etwas Atem zu holen. Am Dienstag verschickte die VC eine Mitteilung, in der sie Streiks für den Rest der Woche ausschloss. Die Konzerntarifkommission werde nun "den weiteren Verhandlungsverlauf diskutieren", was sie allerdings schon in den Tagen zuvor ausgiebig getan hat. Anlass ist ein neues Angebot von Lufthansa-Personalvorstand Bettina Volkens an die Piloten, das 4,4 Prozent mehr Geld plus Einmalzahlungen vorsieht. Ein weiterer Grund für die Streikpause ist aber auch das nahe Weihnachten. Schließlich wollen die Piloten ungern streikbedingt auf lange geplante Urlaube verzichten und mit den Kollegen der Kabinenbesatzung wollen sie es sich auch nicht verderben. Im Stillen gehen die meisten Beteiligten davon aus, dass die Streikpause länger dauern wird.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass sich die Mitglieder der Konzerntarifkommission, die im Auftrag der Piloten mit der Lufthansa verhandeln, nicht einig sind. Dem Vernehmen nach haben Teile des Gremiums gegen die Streiks in der vergangenen Woche gestimmt, sich aber anschließend öffentlich hinter die Entscheidung gestellt. Die VC reagierte nicht auf eine Anfrage, die Vorgänge zu kommentieren.

Und dann war da noch das Interview, das der ehemalige VC-Chef Thomas von Sturm der Zeit gegeben hat und in dem er ziemlich offen über das gesprochen hat, was die Piloten eigentlich ärgert: den Aufbau der Billigsparte Eurowings. Die Äußerungen sind insofern heikel, als die VC wegen des Streits um Eurowings gar nicht streiken darf. Streiks sind nur in Tarifvertragsfragen zulässig. Schon einmal, 2015, bekam die VC deshalb einen Rüffel von den Gerichten. Ohne Sturm beim Namen zu nennen, bemühte sich die Gewerkschaft nun um Schadensbegrenzung: Es herrsche "hohe Emotionalität", hieß es in einer Pressemitteilung. Und deswegen "haben einzelne Piloten in dieser Phase Aussagen gegenüber der Presse getätigt, die weit über den augenblicklichen Konflikt hinausgingen und nicht die Meinung der VC widerspiegeln". Dass Sturms Haltung nicht die Meinung der VC "widerspiegelt", glaubt allerdings niemand - zumal der Lufthansa-Kapitän über Jahre Vorbild für die aktuelle Funktionärsgeneration war.

Eine Brücke bauen könnte nun Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr. Die Gewerkschaft kritisiert seit langem, dass Spohr sich bislang nicht in die Verhandlungen eingeschaltet habe. Nun hat der Konzernchef zugesagt, bei einer Betriebsversammlung Stellung zu nehmen. Die VC erwartet seine Aussagen nach eigenen Angaben "mit Spannung". Und vielleicht erfüllt sie ja auch Spohrs Wunsch nach einer Schlichtung, immerhin hat sie schon angedeutet, dass so ein Verfahren "gegebenenfalls" denkbar sei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: