Lufthansa:Die Piloten fühlen sich abgekoppelt

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Der Streik bei der Lufthansa geht weiter, am Donnerstag fallen mehr als 900 Flüge aus. Ein Ende des Ausstands ist nicht absehbar.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Jörg Handwerg, Vorstandsmitglied der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit, hatte einen bemerkenswerten Auftritt im ARD/ZDF-Morgenmagazin. "Wir sind abgekoppelt worden von der Lohnentwicklung in Deutschland in den letzten fünf Jahren, und da wollen wir nicht länger zuschauen", sagte der Lufthansa-Kapitän. Wohl wahr. Kaum ein anderer Arbeitnehmer bekommt wie die Lufthansa-Piloten jedes Jahr automatisch ein Gehaltsplus von drei Prozent, sie sind also in der Tat vom Rest abgekoppelt. Doch Handwerg meinte nicht die jährlichen Steigerungen, sondern den Umstand, dass die Tarifskalen an sich nicht auch noch erhöht worden sind.

Da die Lufthansa die Forderung nach etwa 20 Prozent mehr Geld nicht erfüllen will, was bei einem erfahrenen Kapitän pro Monat einen Zuwachs von mehreren Tausend Euro bedeuten könnte, wird nun weiter gestreikt. Die Vereinigung Cockpit (VC) verlängerte den Ausstand am Mittwochabend über den Donnerstag hinaus nun bis Freitag. An diesem Tag seien alle Kurzstrecken-Piloten aufgerufen, die Arbeit niederzulegen, teilte die Gewerkschaft am Mittwochabend mit. Am Mittwoch fielen fast 900 Lufthansa-Flüge aus, am Donnerstag sollen es mit 912 noch ein paar mehr werden.

Ein Ende ist nicht absehbar, die Lufthansa steuert in die nächste Krise. Lufthansa-Chef Carsten Spohr betont deswegen, der Konflikt sei nur mit einer Schlichtung zu lösen. Doch darauf wollen sich die Piloten auf keinen Fall einlassen. In dem lange andauernden Konflikt scheint sich deswegen kaum etwas zu verändern. Die Lufthansa will die Personalkosten in den Griff bekommen, die Piloten wollen mehr Geld. Die Lufthansa will die Billigsparte Eurowings ausbauen, die Piloten wollen dies verhindern. Bei den Gehältern wäre Insidern zufolge ein Kompromiss möglich, wenn es da nicht diese offenbar unüberwindbare Hürde Eurowings gäbe. Die VC will das Betätigungsfeld der Eurowings einschränken und Mechanismen schaffen, wie Piloten zwischen den beiden Gesellschaften wechseln können. Lufthansa sieht darin einen nicht akzeptablen Eingriff in unternehmerische Entscheidungen und fürchtet, dass Eurowings wie Germanwings langsam immer teurer wird.

Allerdings ändern sich die Strukturen unter der Oberfläche schneller als auf den ersten Blick ersichtlich. Lufthansa steht kurz davor, 40 Flugzeuge samt Piloten von Air Berlin zu mieten, 35 davon sollen im Auftrag von Eurowings fliegen. Dem Konzern bietet sich dadurch die Chance, die ungeliebte, weil zu teure Tochtergesellschaft Germanwings schneller dichtzumachen. Von den 35 Air Berlin-Jets werden daher nach SZ-Informationen nur etwa 20 für Wachstum verwendet, 15 ersetzen Germanwings-Maschinen. Und da Air Berlin das Lufthansa-Geschäft unbedingt braucht, sind die Konditionen günstig, die Kosten bei Eurowings sinken schneller. Aus Pilotensicht ist dies schlecht, weil es deutlich weniger gut bezahlte Jobs im Konzern gibt. Und bei Lufthansa selbst werden die Karrierechancen schlechter: Die Flotte schrumpft seit vier Jahren.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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