Luftfahrtbranche:Airlines wollen Regulierungen aufweichen

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Abflug bei Nacht: Die Luftfahrtbranche will Regulierungen aufweichen. (Foto: dpa)

Die deutsche Luftfahrtbranche sieht sich im internationalen Vergleich benachteiligt. Wieder einmal fordert sie ein nationales Konzept, um Steuern, Emissionshandel und Nachtflugverbot zu entschärfen. Doch für einige ihrer Kernforderungen dürfte sie kaum Gehör finden.

Von Jens Flottau und Daniela Kuhr

Lufthansa-Chef Christoph Franz ist Kummer gewöhnt. "Dass die Regierung den Luftfahrtstandort Deutschland stärken will, stand schon in der letzten Koalitionsvereinbarung", so Franz. "Die Taten haben dann aber das Gegenteil bewirkt." Luftverkehrsabgabe, Emissionshandel nur für europäische Fluggesellschaften, strenges Nachtflugverbot (in Frankfurt) - die deutsche Luftfahrtindustrie sieht sich gegenüber der Konkurrenz massiv benachteiligt.

Damit die Lage aus ihrer Sicht nicht noch schlimmer wird, hat die Branche - vertreten durch den Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) - gleich eine Formulierung im aktuellen Koalitionsvertrag aufgegriffen, derzufolge ein nationales Konzept für den Luftverkehr erarbeitet werden soll. Die Industrie hat zwar sehr genaue Vorstellungen davon, was in dem Papier drinstehen soll, doch sie kann sich erneut sicher sein, dass sie mit einigen ihrer Kernforderungen in der Politik kaum Gehör finden wird. Schließlich steht fest, dass es die leidige Luftverkehrssteuer, welche die deutschen Airlines jährlich rund eine halbe Milliarde Euro kostet, weiter geben wird. Auch der Emissionshandel wird wohl kaum, wie der BDL und die International Air Transport Association (IATA) fordern, bis 2020 ausgesetzt. Dann soll ein weltweit geltendes Handelssystem eingeführt werden.

Einschränkungen beim Nachtflug

Eines der größten Probleme der deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen sind die Einschränkungen beim Nachtflug - gerade erst hat der Frankfurter Flughafen mit der Eröffnung der Nordwest-Landebahn ab 23 Uhr ein Nachtflugverbot bekommen, doch die neue hessische Landesregierung will vor allem auf Druck der Grünen versuchen, die Randstunden am Abend und Morgen auch noch leiser zu bekommen. Doch "wir können eine weitere Einschränkung der Betriebszeiten nicht akzeptieren", so Fraport-Chef Stefan Schulte. Im Gegenteil: Als Teil des Luftverkehrskonzeptes solle die Bundesregierung festlegen, an welchen Flughäfen auch künftig Nachtflug möglich sein soll. Gemeint sind damit vor allem Köln und Leipzig, die sehr stark von der Luftfracht leben, die oft nachts geflogen wird. Andererseits fordert Schulte nicht, die aktuelle Regelung in Frankfurt zugunsten der Wirtschaft wieder aufzuweichen - schließlich wäre alleine der Versuch aussichtslos.

Zu Unrecht, wie Schulte im Prinzip findet. Denn von nächtlichem Straßenlärm seien 4,3 Millionen Menschen betroffen, im Schienenverkehr seien es 3,7 Millionen, aber wegen der Fliegerei nur 260.000. Es käme aber niemand auf die Idee, nachts Straßen abzusperren oder Züge um 22 Uhr auf offener Strecke zu stoppen, um die Nachtruhe der Anwohner zu gewährleisten.

Bund kündigt Luftverkehrskonzept an

Die Industrie brauche Planungssicherheit, um etwas für den Lärmschutz tun zu können. Die Lufthansa könne nicht Milliarden in neue und leisere Flugzeuge investieren, nur um sie dann am Ende wegen kürzerer Betriebszeiten an den Flughäfen nicht wie geplant nutzen zu können. Deswegen sollen die Bürger bei Projekten schon viel früher beteiligt und die Rolle der Fluglärmkommissionen gestärkt werden. In Frankfurt will Schulte Lärmpausen, die bei Starts bereits eingebaut werden, auch so weit wie möglich für Landungen einführen. Das ist auch in seinem eigenen Interesse, denn der hessische Koalitionsvertrag enthält einen Passus, demzufolge eine geänderte Betriebsgenehmigung droht, falls nicht in angemessener Zeit für Abhilfe gesorgt ist.

Es ist schon das zweite Papier innerhalb kurzer Zeit, in dem Vorschläge für ein nationales Luftverkehrskonzept erarbeitet wurden. Im Oktober hatte bereits eine Kommission unter dem Vorsitz des früheren hessischen Wirtschaftsministers Dieter Posch (FDP) ähnliche Vorschläge vorgelegt. Dieser Kommission, die ebenfalls auf eine Initiative des BDL zurückgeht, gehörten Vertreter der Länder, des Bundes, des Umweltbundesamts sowie der Industrie an. Es sei darum gegangen, möglichst viele verschiedene Interessen einzubinden, um ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, sagte Posch am Mittwoch. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums versicherte, "wie im Koalitionsvertrag festgelegt" werde der Bund noch "in dieser Legislaturperiode ein Luftverkehrskonzept" erarbeiten. Dabei würden die bisher "erarbeiteten Forderungen und Konzepte der verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Akteure in die Überlegungen und den Abwägungsprozess einbezogen".

© SZ vom 16.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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