London:In Heathrow darf gebaut werden

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Trotz Widerstands in der Bevölkerung hat die Regierung die dritte Landebahn für den Flughafen genehmigt.

Von Cathrin Kahlweit, London

Der britische Außenminister Boris Johnson hat im Streit um den Ausbau des Flughafens Heathrow eine spektakuläre Aktion angekündigt: Er werde sich, drohte Johnson, vor die Bulldozer legen, sollte die dritte Landebahn im Westen der Hauptstadt je gebaut werden. Nun könnte es zum Schwur kommen, denn der Ausbau nimmt konkrete Formen an. Allerdings wird in London schon gewitzelt, Johnson werde es mutmaßlich vorziehen, bei der Abstimmung über die neue Landebahn, die demnächst in Westminster stattfindet, lieber zu fehlen, als sein Wort zu halten. Denn eingedenk seiner Protesthaltung müsste er mit Nein stimmen, um die Bulldozer zu verhindern - gegen die eigene Regierung.

Mehr als 15 Jahre hat es gedauert. Seither wird über den Ausbau von Heathrow debattiert, der mit 78 Millionen Passagieren 2017, der am stärksten frequentierte Flughafen in Europa ist. Sollte der Ausbau verwirklicht werden, für den das Flughafen-Management etwa 15 Milliarden Euro ansetzt, dann wird, im besten Falle, mit einer Fertigstellung 2025 gerechnet. Am Dienstag hat das Kabinett den Weg dafür freigemacht: Verkehrsminister Chris Grayling hatte das Projekt erst im zuständigen Ausschuss, dann vor den Ministern vorgestellt, das Kabinett nickte die Vorlage ab, dann teilte der glückliche Minister euphorisch mit, es sei "Zeit zum Handeln".

Der Beschluss, allzulange diskutiert und zerredet, sei ein "historischer Moment", die dritte Landebahn werde London und dem gesamten Land nützen. Die Erweiterung sei nicht nur eine "Frage der nationalen Sicherheit, sondern werde zudem Zehntausende Jobs bringen und die Wirtschaft stärken. Der Flughafen sei mit seinen zwei Landebahnen einer der am stärksten ausgelastete Airport der Welt, so der Minister, aber die bisherigen Einschränkungen beim Ausbau hätten die Wettbewerbsfähigkeit beschädigt. Umweltschützer und Anrainer hatten den Ausbau bis zuletzt bekämpft. Grayling sicherte jetzt etwa drei Milliarden Euro für Umweltschutzmaßnahmen, Lärmbekämpfung und Entschädigungen für umliegende Kommunen zu. Aber auch im Parlament sitzen viele Gegner - und das nicht nur in der Opposition, die unlängst den Rücktritt von Grayling gefordert hatte. Die Abstimmung im Parlament in den kommenden Wochen dürfte vielmehr eine Belastungsprobe für die Regierung von Theresa May werden. Denn über Parteigrenzen hinweg haben Abgeordnete angekündigt, sie würden gegen das Milliardenprojekt stimmen.

Ausbau-Gegner bei den Tories haben gefordert, den Fraktionszwang für die Abstimmung freizugeben, aber bisher gibt es dafür keine Anzeichen. Sie argumentieren, dass es keine ehrliche Kostenanalyse gebe und neben (privat finanzierten) 15 Milliarden für den Bau und drei Milliarden Kompensation noch weitere zehn Milliarden Euro für Verkehrsanbindung und sonstige Infrastruktur nötig würden. Sollten sich konservative Abgeordnete über das Votum der Parteispitze hinwegsetzen, dürfte dies als weiterer Beleg für die Erosion der Macht der Premierministerin gewertet werden, die am Dienstag vor einer der wichtigsten Auseinandersetzung mit dem Parlament steht: Dann wird über zahlreiche Änderungsanträge an der Brexit-Gesetzgebung debattiert.

Um die Zustimmung zu dem umstrittenen Ausbau des Airports zu befördern, hat die Regierung ein sechseinhalb-stündiges Nachtflugverbot vorgesehen. Die dritte Landebahn soll nordwestlich der bestehenden zwei Bahnen liegen und über ein neues Terminal sowie eine Station des weitgehend fertiggebauten Crossrail-Bahnprojekts verbunden sein.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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