Korruption in der Welt:"Deutschland liegt sogar vor Bahrain"

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Schmiergeld für alle: Viele Organisationen messen die weltweite Verbreitung von Korruption - und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Gespräch mit Christian Humborg, dem Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, über einseitige Urteile und die Frage, ob schmieren schlimmer ist, als sich schmieren zu lassen.

Anja Perkuhn

Zum ersten Mal sind im selben Jahr drei Indizes erschienen, die das Problem Korruption von drei verschiedenen Seiten beleuchten: Bestechen (Bribe Payers Index, BPI), bestochen werden (Corruption Perceptions Index, CPI) und das Verschleiern (Financial Secrecy Index, FSI). Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, im Gespräch über einseitiges Brüsten, Schweizer Feuerwerk und warum Deutschland und Bahrain sich doch recht ähnlich sind.

Was ist schlimmer: Schmieren oder geschmiert werden - oder doch verschleiern? (Foto: dpa)

SZ: Manche Länder wie die Schweiz stehen in einem Index sehr gut da und in einem anderen plötzlich sehr schlecht. Welcher Index hat denn nun Recht?

Christian Humborg: Mehr Recht als ein anderer hat natürlich keiner in diesem Sinne, sie messen ja unterschiedliche Dinge in den drei Dimensionen der Korruption: Schmiergeld zahlen, annehmen und verstecken. Es ist schwer zu entscheiden: Ist jemand, der schmiert, schlimmer als einer, der solch eine Zahlung annimmt?

SZ: Aber die Indizes sind unterschiedlich gewichtet.

Humborg: Schon auf gewisse Weise. Der Schattenfinanz-Index misst nicht das tatsächliche Verstecken von Korruptionsgeldern, sondern vor allem die fehlende Transparenz der Finanzwelt. Und der BPI betrachtet, inwiefern Firmen eines Landes im Ausland bestechen, aber das Inland spielt da keine Rolle. Also ist der Korruptionswahrnehmungs-Index, der jetzt erschienen ist, vielleicht nicht der beste, aber in gewissem Sinn der umfassendste. Man muss alle drei nebeneinander legen, damit sich kein Land einseitig brüsten kann.

SZ: Wenn ich diese drei Listen nun nebeneinanderlege, was sagt mir das über die Welt?

Humborg: Man kann besonders allumfassend die verschiedenen Verantwortlichkeiten von Regierungen betrachten. Das Interessante ist eben, dass es manche Länder gibt, die auf zwei der Indizes besonders gut abschneiden, aber auf dem dritten weniger gut, weil sie als Finanzzentrum besonders intransparent sind und schwache Offenlegungspflichten haben, Zum Beispiel gibt es nach dem CPI in Singapur kaum die Bestechung von Politikern und Beamten, aber nach dem Schattenfinanz-Index gilt das Land als sechsgeheimster Finanzplatz weltweit.

SZ: Und in Deutschland läuft wie gewohnt alles korrekt ab? Immerhin gab es hier ja den Siemens-Skandal.

Humborg: Deutschland steht vergleichsweise gut da, was Schmiergeldzahlungen deutscher Firmen im Ausland angeht, also es wird eher seltener gezahlt. Bei der Annahme von Schmiergeld wird Deutschland nur im Mittelfeld vergleichbarer europäischer Staaten gelistet. Aber auf der Liste der schlimmsten Schattenfinanzzentren ist Deutschland ziemlich weit oben, auf Rang neun, knapp vor Bahrain und weit vor den Vereinigten Arabischen Emiraten und Korea, zum Beispiel. Das liegt zwar am großen Volumen des deutschen Finanzmarktes, aber auch daran, dass noch Hausaufgaben zu machen sind.

SZ: Was für Hausaufgaben sind das?

Humborg: Deutschland müsste die gleichen Hausaufgaben machen, wie zum Beispiel auch die Schweiz: Da gibt es durchaus Nachholbedarf, was die Transparenz des Finanzplatzes angeht. Sie müssten eigentlich die Punkte abarbeiten, die das Tax Justice Network verwendet hat, um diesen Index zu erstellen: Wird auf ein gesetzlich verankertes Bankengeheimnis verzichtet? Das tut die Schweiz nämlich nicht, da gibt es ein besonders strenges Bankkundengeheimnis. Gibt es ein öffentliches Register für Trusts und Stiftungen?

SZ: Glauben Sie, dass der Blick auf einen Index Regierungen wirklich zu solchen Veränderungen veranlasst?

Humborg: In mehr als 20 Ländern haben am Tag der Veröffentlichung des CPI 2011 nationale Organisationen von Transparency Pressekonferenzen gehalten und das Thema aufgegriffen. Die Regierungen schauen schon genau hin und drehen nicht nur Däumchen. Man muss zum Beispiel auch feststellen, dass die Schweiz im Moment ein enormes Feuerwerk an PR-Maßnahmen abfeuert wegen des Deutsch-Schweizerischen Steuerabkommens, um den eigenen Ruf zu verbessern. Manche Ankündigungen, die auf solche Veröffentlichungen folgen, sind Blendwerk, aber manche bringen auch tatsächliche Veränderungen.

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