Cum-Ex-Geschäfte:Dänischer Verdacht, deutsche Durchsuchung

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Eine kleine Bank in Mainz soll in einen Fall von Steuerbetrug verwickelt sein, bei dem es um 1,7 Milliarden Euro geht. Die Staatsanwaltschaft Kopenhagen ermittelt.

Von Klaus Ott, München

Die North Channel Bank in Mainz ist ein ziemlich kleines Geldinstitut mit gerade mal 50 Angestellten. Eine Mini-Bank sozusagen, die aus dem 1924 in Berlin gegründeten Bankhaus Oswald Kruber hervorging. Diese Mini-Bank soll in einen der größten europäischen Fälle von Steuerbetrug verwickelt sein, weshalb kürzlich die Staatsanwaltschaft Koblenz mit einem Durchsuchungsbeschluss vorstellig wurde. Das Land Dänemark sei, so der Verdacht, um fast 1,7 Milliarden Euro erleichtert worden. Angebliche US-Pensionsfonds hätten sich mit vorgetäuschten Aktiengeschäften vom dortigen Fiskus Steuern erstatten lassen, die aber nie gezahlt worden seien. Und einige dieser Geschäfte sei mithilfe der Mainzer Mini-Bank abgewickelt worden. Deshalb werde nach dänischem Recht auch die North Channel Bank GmbH und Co. KG als juristische Person verdächtigt. Bei diesem Teil der Ermittlungen gehe es um Steuererstattungen in Höhe von 153 Millionen Euro.

So steht es im Durchsuchungsbeschluss. Der richtet sich gegen fünf Gesellschaften mit Namen Oban, die hinter der Bank stehen oder anderweitig mit ihr zu tun haben und unter derselben Adresse firmieren. In dem Beschluss wird der offenkundige Schaden für Dänemark mit 1,67 Milliarden Euro beziffert. Eine große Summe für so ein kleines Land. Auf deutsche Verhältnisse übertragen wären das, gemessen am Staatshaushalt, fast 15 Milliarden Euro Schaden für die Staatskasse. Kaum zu glauben. Und erst recht schwer zu glauben, dass ein einziger mutmaßlicher Täterkreis für all das verantwortlich sein soll, was dem skandinavischen Staat da widerfahren sei. Ein Täterkreis, der vor allem aus drei Hauptfiguren bestehe.

An erster Stelle im Durchsuchungsbeschluss ist Sanjay Mansukhlal Shah genannt, 46, geboren in London, Wohnsitz Dubai, schwerreicher Banker und Investor. Dazu kommen 212 US-Pensionsfonds, ein paar weitere Verdächtige, und eben North Channel. Die Mini-Bank in Mainz, die dort in einem der beiden Bonifazius-Türme ansässig ist, den höchsten Bürogebäuden am Ort. Benannt nach der St.-Bonifaz-Kirche nebenan. Die Geschichte der Katholischen Kirche ist reich an Heiligen und Päpsten mit Namen Bonifatius. Christlich waren die Börsengeschäfte, die zu Lasten des Staates Dänemark gegangen sein sollen, wohl nicht. Ob sie auch kriminell waren, müssen die Ermittlungen zeigen.

Immer wieder derselbe Trick: Verdient wird an der Erstattung von gar nicht gezahlten Steuern

Die Mainzer Bank teilt dazu auf Anfrage lediglich mit, am 20. Juni habe eine Durchsuchung in den Räumen der North Channel Bank GmbH & Co. KG stattgefunden. Die Durchsuchung sei von der Bank "aktiv unterstützt" worden. Was offenbar bedeutet, dass North Channel mit den Ermittlern kooperiert. Der Durchsuchungsbeschluss ist neun Seiten lang und enthält viele Details, darunter eben auch die Namen der fünf betroffenen Oban-Firmen. Oban, so heißen auch zwei Orte an der schottischen Westküste und im Süden von Neuseeland. Was das mit der Bank in Mainz zu tun hat, die 2009 von einer nordamerikanischen Investorengruppe übernommen worden war, ist wohl ebenso schwer zu durchschauen wie manche der fraglichen Aktiengeschäfte.

Die erinnern an einen der größten Steuerraubzüge in Deutschland; geschehen beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende. Auch da haben Banken, Börsenhändler und Fonds nach Erkenntnissen von Steuerfahndern den Fiskus ausgenommen - um viele Milliarden Euro. Mit demselben Trick wie offenbar auch in Dänemark: mit der Erstattung von Steuern, die gar nicht gezahlt wurden. Als die Bundesregierung und der Fiskus das endlich merkten und dem nach und nach einen Riegel vorschoben, versuchten es Cum-Ex-Akteure im Jahr 2011 am Ende ein letztes Mal mit US-Pensionsfonds. Was aber nicht mehr funktionierte. Erstattungsanträge in Höhe von 450 Millionen Euro wurden nicht mehr genehmigt. In Dänemark soll das anschließend aber noch mehrere Jahre lang geklappt haben. Dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes Koblenz für die fünf Oban-Firmen in Mainz zufolge soll der dänische Staat von 2012 bis 2015 betrogen worden sein.

Die offenbar nur für diese Geschäfte gegründeten US-Pensionsfonds, deren Rentenvorsorge wahrscheinlich nur vorgetäuscht ist, sollen beim dänischen Fiskus erfundene Börsengeschäfte angemeldet und abgerechnet haben. Die Fonds hätten offiziell weit mehr Aktien von dortigen Unternehmen besessen, als sich nach Berechnungen der Staatsanwaltschaft Kopenhagen überhaupt in ausländischen Händen hätten befinden können. Luftpapiere gewissermaßen. So soll das auch bei jenen 27 US-Pensionsfonds gewesen sein, die über Konten bei der North Channel Bank verfügten. Die Staatsanwaltschaft Kopenhagen geht davon aus, dass es diesen 27 Fonds unmöglich gewesen sei, Aktien in dem von ihnen angegebenen Umfang zu besitzen. Die 27 Fonds werden nach Erkenntnissen der Ermittler allesamt von zwei US-Bürgern vertreten, die auch in weitere mehr als 180 Pensionsgesellschaften aus Übersee involviert seien.

Die Bank bezeichnet sich selbst als "unbequem, hartnäckig und absolut zuverlässig"

Derjenige, der wohl am meisten erzählen könnte über diese Geschäfte, Sunjay Shah, britischer Geschäftsmann mit indischen Wurzeln, ist für die Ermittler nicht greifbar. Er verlässt seinen Wohnsitz Dubai wohlweislich nicht. Vielleicht wäre es ja möglich, ihn dort mal zu befragen, heißt es aus Ermittlerkreisen. Aber sicher sei das nicht. Shah soll solche Aktiendeals in mehreren Ländern gestaltet und auch in Belgien in die Staatskasse gegriffen haben. Dort fehlen jetzt angeblich 300 Millionen Euro. Shah selbst, der offenbar sehr luxuriös in Dubai lebt, hat schon vor einem Jahr laut der britischen Zeitung Telegraph jegliches Fehlverhalten bestritten. Damals wurde bereits über den mutmaßlichen Steuerbetrug berichtet.

Laut Durchsuchungsbeschluss hat die deutsche Bankenaufsicht Bafin die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG mit einer Sonderuntersuchung der Vorgänge bei North Channel beauftragt. Das Ergebnis: Die von der Mainzer Bank betreuten Aktientransaktionen hätten ein regelmäßiges Muster aufgewiesen, hätten aber für sich gesehen keinen wirtschaftlich erkennbaren Nutzen gehabt. North Channel habe als Depotbank für die Aktien fungiert; habe aber keine Verträge für den Kauf und Verkauf abgeschlossen. Die Lagerstelle für die Aktien sei im Hinblick auf die betreffenden US-Pensionsfonds von April 2014 an immer die Bank in Mainz gewesen. Kurz davor, im März 2014, habe es offenbar eine Art Testlauf gegeben. Es sei davon auszugehen, dass die fraglichen Börsengeschäfte allesamt fingiert gewesen wären.

Das sind schwere Anschuldigungen. Ob sie standhalten, bleibt abzuwarten. North Channel wirbt für sich mit dem Slogan, man sei "unbequem, hartnäckig und absolut zuverlässig", solange es um die beste Lösung gehe. Die Kunden könnten auf ein Team aus kompetenten Händlern mit langjähriger Börsen- und Kapitalmarkterfahrung vertrauen. "Wir unterstützen Sie weltweit professionell bei der Ausführung Ihrer Aufträge . . . Profitieren Sie von unserer internationalen Ausrichtung, unserer Erfahrung und unseren Kontakten."

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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