Konsum:Torten-Gesichter

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Die Deutschen lieben personalisierte Massenprodukte. Denn mit ihnen können sie sich für einen Moment lang einzigartig und individuell fühlen. Das gilt nicht nur für Adiletten - sondern auch für die Torte.

Von Sophie Burfeind

Auch eine Torte darf heute nicht mehr nur eine Torte sein. Früher rief man in der Konditorei an und bestellte für den Geburtstag Sachertorte oder Schwarzwälderkirschtorte. Heute konfiguriert man eine Foto-Torte im Internet. In einer Welt, in der der Einzelne in der Masse unterzugehen droht, weil alle dasselbe in denselben Geschäften kaufen, ist jede Möglichkeit willkommen, sich für einen Moment einzigartig zu fühlen. Gilt auch fürs Torteessen.

Weil Dr. Oetker, ein Unternehmen mit 127 Jahren Erfahrung mit Puddings, Kuchen und Torten, das natürlich weiß, hat es 49 Prozent des Kölner Start-ups DeineTorte.de übernommen. DeineTorte.de gehört zur Internestor GmbH, nach eigenen Angaben der europäische Marktführer für Fototorten. Schon jetzt produziere das Start-up mehrere Tausend Individualtorten im Monat - gemeinsam mit Dr. Oetker soll der weltweite Fototortenmarkt erobert werden.

Dass Torten - und im Übrigen auch Cupcakes, Brownies und Cake Pops - in Form, Farbe und Foto nun online konfiguriert werden können, ist an sich nicht überraschend. Denn es ist ja schon bei so gut wie allen Produkten möglich. Vom Kleiderschrank über das Müsli bis hin zur M&M-Kugel. Die Deutschen können gar nicht genug von individuellen Massenprodukten bekommen.

Das geht aus einer Studie der Unternehmensberatung KPMG und dem Institut für Handelsforschung (IFH) aus Köln hervor. Demnach haben 30 Prozent der im vergangenen Jahr befragten Konsumenten schon individualisierte Produkte gekauft, und mehr als die Hälfte von ihnen mag diese auch lieber als normale Produkte. Wenn Coca-Cola den eigenen Namen auf Flaschen druckt und Nutella auf Nutella-Gläser, ist es ja auch ein wenig so, als hätten die großen Konzern dabei an einen gedacht. Ein kurzes Gefühl von Einzigartigkeit.

Wer die Dusche des Fitnessstudios mit individuell gestalteten Adiletten ("Deinelette") betritt, beeindruckt; wer seine Briefe mit individuell gestalteten Briefmarken (zum Beispiel mit dem eigenen Foto) beklebt, ist kreativer als die anderen Briefschreiber. Und für all das braucht es nur ein paar Klicks. Gerade die 20- bis 29-Jährigen kaufen laut KPMG und IFH gern individualisierte Massenprodukte, ab dem Alter von 50 Jahren steigt die Zahl der Skeptiker. Wahrscheinlich deshalb, weil Individualität ihren Preis hat. Eine selbstgestaltete Briefmarke zum Beispiel kostet 1,30 Euro, eine konfigurierte Torte in Herzform und Größe L kommt auf 74,90 Euro zuzüglich 3,90 Euro Versand. Alternativ kann man das Foto natürlich auch für 6,50 Euro als Tortenaufleger unter www.pimpmycake24.de bestellen und die Torte separat kaufen.

Weil Konsumenten bereit sind, für ein selbstgestaltetes Shampoo viel mehr Geld auszugeben als für das Standardmodell, ist Produktindividualisierung für Firmen ein gutes Geschäft. Vor allem in der Lebensmittelbranche nutzen Kunden sie gerne. Deswegen glaubt Oliver Brimmers, Handelsexperte vom IFH, an den Erfolg von Fototorten: "Es gibt zwei Gründe, warum individualisierte Produkte gekauft werden: Exklusivität und Anlassbezug." Und gerade bei Anlässen wie Hochzeiten, Geburtstagen oder Firmenfeiern will man ja etwas Persönliches bieten. Zum Beispiel eine Fototorte mit dem Bild vom gesamten Team.

Bei einer Firmenfeier könnte eine solche Torte aber zu Problemen führen. Denn die Frage ist ja: Wen vom Team verspeist man zuerst? Den Chef?

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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