Zinspolitik der USA:Höhere Zinsen? Macht doch einfach!

Janet Yellen, Stanley Fischer, Bill Dudley

Fed-Chefs Janet Yellen, Mitte, Stanley Fischer, links, und Bill Dudley schauen in Jackson Hole buchstäblich ins Gebirge.

(Foto: Brennan Linsley/AP)

Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Federal Reserve, sollte die Wirtschaft allmählich vom süßen Gift des Nullzinses befreien. Es gibt keinen Grund mehr, mit Zinserhöhungen zu zögern.

Kommentar von Catherine Hoffmann

Geldwertstabilität, Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit. Das sind die Prinzipien guter Geldpolitik. Sie schaffen die Basis für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Leider sind die Notenbankchefs der Welt drauf und dran, ihr wichtigstes Gut zu verspielen: die Glaubwürdigkeit. Als die Welt 2008 zu wackeln begann, schafften es die Währungshüter, den Kollaps abzuwenden. Dafür gebührt ihnen aller Respekt. Aber nun finden sie kein Ende ihrer lockeren Geldpolitik.

Mehr als 700 Mal haben die Zentralbanken rund um den Globus seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 die Zinsen gesenkt. Seit Beginn der Geschichtsschreibung gab es noch nie für so lange Zeit so tiefe Zinsen wie heute. Und es gab noch nie so aktive Notenbanken, die für viele Billionen Dollar Staatsanleihen und allerhand andere Wertpapiere kaufen. In den USA ist der Realzins weit unter die Wachstumsrate gesunken, das ist ökonomisch grotesk und gefährlich. Es drohen Übertreibungen bei Aktien, Immobilien und anderen Vermögenspreisen. Das wissen auch die Währungshüter.

Verzweifelt versucht Fed-Chefin Janet Yellen deshalb, ein wenig Normalität einkehren zu lassen. Ende 2015 erhöhte sie nach langem Zögern den amerikanischen Leitzins um 25 Basispunkte. Doch seither geschah nichts. Von Sitzung zu Sitzung bekräftigte Yellen ihre Absicht, die Zinsen wieder auf ein normales Maß anheben zu wollen. Immer wieder aber verließ sie der Mut, eine einmal beschlossene Politik auch gegen die Zweifel am Markt durchzusetzen. Die Gründe, die sie für ihre Tatenlosigkeit anführte, sind wenig überzeugend: Mal waren es schlechte Arbeitsmarktzahlen, dann Sorgen um China und schließlich der Brexit.

Die amerikanische Wirtschaft kann höhere Leitzinsen gut vertragen

Die Zentralbank muss die Märkte schleunigst vom süßen Gift des billigen Geldes entwöhnen und sich wieder auf ihre ursprüngliche Aufgabe besinnen: für Preisstabilität zu sorgen. Das dürfte das alles bestimmende Thema auf dem Notenbanker-Treffen in Jackson Hole dieser Tage sein. Die gute Nachricht ist: Gerade in der Führungsriege der Fed gibt es prominente Stimmen, die für eine Normalisierung der Geldpolitik werben - mit guten Argumenten.

Die amerikanische Wirtschaft kann höhere Leitzinsen gut vertragen. Worauf es für die Fed ankommt, sind Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Bei beiden Zielen sieht es gut aus. Die Verbraucherpreise ohne Energie steigen um 2,2 Prozent, von Deflation kann keine Rede sein. Und die Arbeitslosenquote ist seit ihrem Hoch von 9,9 Prozent im Dezember 2009 stetig auf zuletzt 4,9 Prozent gesunken. Nicht ganz so überzeugend sind die Wachstumszahlen, allerdings wird erwartet, dass sie in den nächsten Quartalen anziehen. Von konjunktureller Seite steht einer Zinserhöhung also nichts im Weg.

Leitzinsen nahe null laden zum Zocken ein

Verschiebt Fed-Chefin Yellen die Zinswende weiter, riskiert sie nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Notenbank. Es gibt heute eine junge Anlegergeneration, die eine Politik des Gelddruckens für normal hält, und die blind darauf setzt, dass im Falle des Falles die Fed die Kurse stützen wird. Leitzinsen nahe null laden zum Zocken ein und steigern so die Blasengefahr. Je länger die Fed wartet, desto größer wird das Wagnis. Es ist höchste Zeit, dass Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne wieder über Anlageentscheidungen bestimmen - und nicht die Nullzinsen.

Yellen darf sich nicht länger von den Märkten diktieren lassen, was zu tun ist. Gerade jetzt muss sie Führungsstärke beweisen. Einen guten Zeitpunkt für Zinserhöhungen gibt es nicht. Genauso wenig wie für einen Zahnarztbesuch. Just do it!

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